Für die meisten Tinnitus-Betroffenen beginnt das größte Problem, wenn der Tag vorbei ist. Das Ohrgeräusch kennt leider keine Bettruhe und ist in der Stille der Nacht umso präsenter. Damit Sie trotzdem bald wieder gut ein- und durchschlafen, haben wir 17 gute Ratschläge für Sie parat.
Während man in der Geschäftigkeit des Tages oft noch einigermaßen abgelenkt ist, kommt das Pfeifen, Piepen, Brummen oder Rauschen im Ohr nachts voll zur Geltung.
Studien zufolge leiden mehr als 70 Prozent der Menschen, die sich wegen eines Tinnitus in ärztliche Behandlung begeben, an Schlafstörungen. Der Schlaf ist umso stärker beeinträchtigt, je störender das Ohrgeräusch empfunden wird.
Es ist ein Teufelskreis: Wenn Sie wegen Ihres Tinnitus zu wenig geschlafen haben, fühlen Sie sich nicht nur müde und erschöpft, sondern sind auch viel leichter gereizt und genervt – insbesondere von Ihrem Tinnitus! Das Geräusch fühlt sich dann umso lauter, aufdringlicher und störender an, was widerum zusätzlichen Stress aufbaut. In solch einem Zustand wird einem das Einschlafen wieder ziemlich schwer fallen.
Aus dieser Spirale von Schlafstörungen und Tinnitus-Leiden auszubrechen, ist daher für jeden Betroffenen von größter Wichtigkeit. Es ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg der Heilung.
Den Teufelskreis beenden
Das Ziel ist, den Teufelskreis umzukehren und zu einem „Heilungskreis“ zu machen:
Indem Sie nachts besser schlafen, wird sich das Ohrgeräusch am nächsten Tag weniger lästig anfühlen und weniger Raum einnehmen. So können Sie den Herausforderungen des Tages besser begegnen und sind weniger gestresst. Das erleichtert dann widerum das Einschlafen.
Und so weiter.
Wenn Sie wieder zu einem besseren Schlaf zurückfinden, erhöht das übrigens auch die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Tinnitus verschwindet! Das gilt ganz besonders für die Akutphase der ersten drei Monate. Danach verlieren immerhin noch 25 Prozent der Betroffenen Ihren Tinnitus ganz.
Besser Ein- und Durchschlafen
Versuchen Sie also, in nächster Zeit an jedem Tag möglichst viele dieser Ratschläge zu beherzigen:
Vermeiden sie eine Stunde vor dem Schlafengehen jegliches helles Licht.
Dimmen Sie Ihre Zimmerbeleuchtung, schauen Sie kein Fernsehen mehr und auch nicht auf große oder kleine Displays (Laptop, Tablet, Smartphone). So signalisieren Sie Ihrer inneren Uhr, sich auf den Schlaf einzustellen.
Vermeiden sie eine Stunde vor dem Schlafengehen jegliches helles Licht.
Dimmen Sie Ihre Zimmerbeleuchtung, schauen Sie kein Fernsehen mehr und auch nicht auf große oder kleine Displays (Laptop, Tablet, Smartphone). So signalisieren Sie Ihrer inneren Uhr, sich auf den Schlaf einzustellen.
Beginnen Sie bereits eine Stunde vor der gewünschten Einschlafzeit damit, aktiv abzuschalten und geistig herunterzufahren.
Gönnen Sie sich z.B. ein entspannendes Vollbad oder gehen Sie noch eine kleine Runde spazieren. Richten Sie dabei Ihre Aufmerksamkeit ganz bewusst auf die körperliche, sinnliche Wahrnehmung. (Wie fühlt sich das Wasser auf Ihrer Haut an? Und wie die Luft? Ihr Atem? Die Berührung des Bodens? Die Bewegungen Ihres Körpers? Was hören Sie, riechen und schmecken Sie?) So bleibt weniger Raum für Gedanken und weniger Aufmerksamkeit für den Tinnitus.
Sorgen Sie für entspannende akustische Ablenkung, am besten durch angenehme Musik oder schöne Naturgeräusche.
Dies reduziert nicht nur die Aufmerksamkeit für den Tinnitus, sondern auch Ihre negativen Reaktionen auf das Geräusch (wie die geistige und körperliche Anspannung, die den Schlaf stört). Sie können beruhigende Musik, Naturklänge oder auch ein neutrales „weißes Rauschen“ ganz einfach z.B. von Ihrem Smartphone oder mp3-Player abspielen. Mit kleinen „In-Ear“-Kopfhörern können sogar die meisten Seitenschläfer einschlafen.
Wenn Sie allein schlafen, ist auch ein portabler kleiner Lautsprecher auf dem Nachttisch oder neben dem Kopfkissen auf dem Bett sehr praktisch. Auch spezielle „Klangkissen“ sind erhältlich, also Kissen mit eingebautem Lautsprecher. Eine sehr schöne „old school“-Methode zur akustischen Ablenkung ist auch ein Zimmerspringbrunnen auf dem Nachttisch.
Wenn sich das Gedankenkarussel dreht, fokussieren Sie auf etwas Konkretes. Lesen Sie z.B. ein gutes Buch (die klassische Einschlafhilfe schlechthin).
Entspannende Musik oder schöne Naturklänge erleichtern es ungemein, sich auf das Lesen zu konzentrieren.
- Ein extrem wirkungsvolles „Schlafmittel“ ist positive körperliche „Erschöpfung“. Suchen Sie daher tagsüber gezielt körperliche Betätigung und Bewegung! Je aktiver Sie tagsüber körperlich sind und je mehr Zeit Sie an der frischen Luft oder in der Natur verbringen, desto leichter werden Sie nachts einschlafen. Schon etwas Jogging oder Yoga nach der Arbeit oder ein langer Spaziergang durch den Park können hier einen großen Unterschied machen. Bauen Sie Bewegung auch gezielt in Ihren Alltag ein, indem Sie z.B. möglichst viele Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigen, statt dem Fahrstuhl die Treppe nehmen usw. Mindestens drei Stunden vor dem Schlafengehen sollten Sie sich aber auf keinen Fall mehr anstrengen, damit Ihr Körper zur Ruhe kommen kann.
- Gehen Sie erst zu Bett, wenn Sie wirklich schon recht müde sind. Das kann heißen, etwas später schlafen zu gehen als Sie gewohnt sind.
- Vermeiden Sie mehrere Stunden vor dem Schlafengehen jegliche Getränke mit Koffein oder Alkohol. Beide Stoffe verhindern, dass wir tiefere Stadien des Schlafes erreichen. Der Schlaf ist dann für uns merklich weniger erholsam, was mittelfristig auch depressiven Verstimmungen Vorschub leisten kann. Dass Alkohol unter Umständen das Einschlafen ein wenig erleichtert, macht diesen schwerwiegenden Effekt nicht wett. Und mit Koffein im Blut wird freilich schon das Einschlafen schwieriger. Ein Gläschen Rotwein zum Abendessen wird Ihnen aber kaum schaden.
- Machen Sie vor dem Schlafengehen gezielte Entspannungsübungen. Etwas sanftes „Gute-Nacht-Yoga“ (Beispiele finden Sie auf YouTube), Qi Gong, Autogenes Training oder Progressive Muskelrelaxation bauen erwiesenermaßen Stresshormone ab und beruhigen das gesamte Nervensystem zu beruhigen. Welche der genannten Methoden Sie wählen, ist unerheblich. Es kommt nur darauf an, eine Entspannungstechnik zu erlernen und regelmäßig – möglichst jeden Tag – zu praktizieren. Auch hierbei werden Ihnen entspannenden Musik, schöne Naturklänge oder weißes Rauschen enorm helfen.
- Essen Sie mindestens zwei Stunden vor dem Schlafengehen gar nichts mehr. Größere Mahlzeiten oder schwer verdauliche Nahrung wie Karotten oder Salat sollten Sie mindestens vier Stunden vor der angepeilten Schlafenszeit nicht mehr aufnehmen. Denn solange der Magen noch viel zu tun hat, kommt der Körper insgesamt nicht zur Ruhe. Das Einschlafen fällt dann schwerer.
- Halten Sie die Temperatur in Ihrem Schlafzimmer nachts ein Stückchen kälter, als Sie es tagsüber mögen würden. Fast jeder Mensch schläft bei etwas niedrigeren Temperaturen besser. Lüften Sie vor dem Schlafengehen Ihr Schlafzimmer immer noch einmal gut durch.
- Widmen Sie sich in der einstündigen Ruhephase vor dem Schlafengehen Ihrer Atmung. Atmen Sie tief ein und aus. Das entspannt. Der Stress, den ein Tinnitus auslöst, führt sehr oft zu einer besonders flachen Atmung (die im Westen ohnehin sehr weit verbreitet ist.). Eine flache Atmung hat eine mangelhafte Sauerstoffversorgung im Körper zur Folge, was den gesamten Stoffwechselkreislauf behindert. Und das bedeutet Stress. Atmen Sie tief ein und aus, fließend und ohne zu pressen, und zwar in Bauch und Becken.
- Solange Sie noch unter Schlafstörungen leiden: Stehen Sie jeden Tag um die gleiche Zeit auf. Auch am Wochenende. Stehen Sie möglichst frühmorgens auf und machen Sie sich mit dem Morgenlicht wach.
- Gönnen Sie sich eine psychologische Beratung oder länge (kognitive Verhaltens-) Therapie. Das kann Ihnen unglaublich gut tun! Man muss dafür überhaupt nicht extrem psychisch angeschlagen sein. (Dann macht es aber natürlich erst recht Sinn.) Ein guter Psychotherapeut kann Ihnen ungemein helfen, Ihren Tinnitus „loszulassen“ bzw zu bewältigen. Ganz „nebenbei“ lassen sich dabei noch allgemeine schädliche Gedanken- oder Verhaltensmuster auflösen, die Ihnen nicht nur im Umgang mit dem Ohrgeräusch, sondern womöglich noch in vielen anderen Lebensbereichen schaden. Wer den Tinnitus zum Anlass für eine kognitive Verhaltenstherapie nimmt, hat darüber hinaus die Chance, noch so manche alten Wunden (oder gar Traumata) zu heilen. Das kann in vielerlei Hinsicht Ihr ganzes Leben sehr positiv beeinflussen.
- Trinken Sie, über den ganzen Tag verteilt, mindenstens zwei Liter Flüssigkeit. Kaffee und Alkohol zählen nicht. Denn eine Dehydrierung versetzt unseren Körper unbewusst in Stress und lässt uns schwerer einschlafen.
- Trinken Sie vor dem Schlafengehen einen Beruhigungstee (Baldrian, Melisse oder Johanneskraut). Aber nicht mehr als eine Tasse, damit Sie nachts nicht von Ihrer Blase geweckt werden.
- Wenn das Licht schon aus ist, machen Sie sich einfache „Meditationstechniken“ zunutze. Besonders bewährt haben sich folgende zwei Methoden, die Sie entspannen und allmählich in den Schlaf entgleiten lassen. (Auch hierbei kann das Hören von Naturklängen oder weißem Rauschen sehr hilfreich sein.)
(A) Schließen Sie Ihre Augen und lassen Sie ganz langsam den Tag Revue passieren, der Reihe nach vom Aufstehen bis zur Nachtruhe, mit all den kleinen und großen „Ereignissen“. Und zwar wie ein „Zeuge“, aus der Vogelperspektive, also ohne sich in Details zu verlieren, sich an einzelnen Punkten festzubeißen oder in Urteilen zu ergehen.
(B) Oder richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die innere Welt Ihrer Gefühle (einschließlich der unangenehmen). Spüren Sie tief in sich hinein. Was fühlen Sie? Denken Sie aber nicht über Ihre Gefühle nach. Fühlen Sie sie einfach, ohne sie zu bewerten. Kaum etwas im Leben wirkt reinigender und beruhigender, als die eigenen Gefühle wirklich zu fühlen. Verstehen Sie beide Methoden sozusagen als etwas tiefer gehende Varianten des Schäfchen-zählens.
- Versteifen Sie sich nicht auf das Einschlafen-wollen. Das ist etwas verzwickt, aber je mehr man es erzwingen will, desto schwieriger wird es.
Das war’s! Wenn Sie möglichst viele dieser Ratschläge befolgen, werden Sie schon bald viel besser schlafen. (Es müssen ja nicht gleich alle Maßnahmen auf einmal sein.)
Haben Sie etwas Geduld und Ausdauer! Erwarten Sie nicht über Nacht ein Wunder. Wenn Sie ernsthaft an einer Besserung Ihres Zustandes arbeiten und Ihre Heilungschancen maximieren wollen, geht dies nur über viele kleine Schritte. Im Laufe von Wochen oder Monaten summieren sich auch Tippelschritte zu einem Riesensprung nach vorn.
Ein großer Teil der Menschen mit Tinnitus schläft übrigens nach einiger Zeit schon wieder sehr gut, ganz ohne irgendwelche Maßnahmen, Hilfsmittel oder Übungen! Je nach Studie sind dies bis zu 50 Prozent der Betroffenen.
Und diejenigen, die zur anderen Hälfte gehören, können Schritt für Schritt an Ihrer Genesung arbeiten. Auf dieser Website finden Sie dazu viele Anregungen.
JS
QUELLEN
- Baguley, David/Andersson, Gerhard/McFerran, Don/Mckenna, Laurence (2013): Tinnitus – A multidisciplinary Approach. 2nd Ed. Oxford
- Folmer, R.L. and Griest, S.E. (2000): Tinnitus and Insomnia. American Journal of Otolarygology, 21, 287-293
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