Yoga ist ein ebenso einfacher wie genialer Entspannungsweg, der im Westen immer mehr Menschen überzeugt. Yoga tut einfach gut. Seine harmonisierende, beruhigende Wirkung kann gerade auch für Betroffene von Ohrgeräuschen sehr heilsam sein. Auch Tinnitus-Kliniken beziehen Yoga daher längst in ihre Behandlung ein.
Ein spürbarer Zugewinn an Wohlbefinden und Entspannung, Gesundheit und Energie: Kaum eine andere Methode vereinigt dermaßen viele positive Effekte in sich wie das Yoga.
Im Rahmen der Tinnitus-Behandlung und Selbsthilfe kommt vor allem die spannungslösende, beruhigende Wirkung des Yoga zum Tragen. Die meditativen Körper- und Atemübungen sind ganz einfach (auch) eine hochwirksame Methode, Stress abzubauen.
Frühzeitig schon in der Akutphase betrieben, erhöht eine gezielte Entspannung enorm die Chancen, dass das Ohrgeräusch wieder abklingt oder sich zumindest nicht zu einem Leiden entwickelt. Wenn der Tinnitus schon lange besteht, kann ein systematischer Stressabbau maßgeblich dazu beitragen, dass mindestens das Leiden und die Aufmerksamkeit für den Tinnitus schwinden.
Von Ärzten empfohlen
Yoga wird auch von der Deutschen Tinnitus-Liga empfohlen. In der aktuellen Ausgabe ihres Mitgliedermagazins „Tinnitus Forum“ (2/2016) berichtet Gabriele Fröhlich-Gildhoff, Chefärztin der Psychosomatischen Abteilung der Habichtswald-Klinik in Kassel, ausführlich von langjährigen, „sehr guten Erfahrungen“ mit Yoga als Baustein der Therapie.
Diese Effekte werden der Ärztin zufolge von Teilnehmern des Yoga-Angebots regelmäßig geschildert:
- Verbesserung der Tinnitus-Symptomatik
- Verbesserung der Schlafqualität
- Verbesserung der Stimmung und Verminderung von Angst
- deutliche Verbesserung der Entspannungsfähigkeit
- Positive Überzeugungen, Stressgefühle kontrollieren und reduzieren zu können
- Verbesserung der Fähigkeit, die Aufmerksamkeit und die Gedanken aktiv vom Tinnitus abwenden zu können, mit der Folge, sich weniger ausgeliefert zu fühlen
- bessere Beziehung zum eigenen Körper
- Zunahme von Lebendigkeit und Kraft
- mehr Gelassenheit
Diese positiven Wirkungen spiegeln verschiedene Aspekte eines umfassenden Spannungsabbaus oder ergeben sich daraus.
Eine große wissenschaftliche Studie der Universitäten Potsdam und Oldenburg (siehe Quellen) untermauert diese Erfahrungen. Bei den Teilnehmern verzeichneten die Forscher bereits nach einem Monat Yoga:
- einen deutlichen Rückgang allgemeiner Beschwerden, der Belastung, der Depressivität sowie der Ängstlichkeit
- deutlich gestiegenes Gefühl von Entspannung und Wohlbefinden
- deutliche Zunahme von Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen
Die Studie wurde übrigens unter den Mitarbeitern eines großen deutschen Automobilkonzerns durchgeführt, also mit Teilnehmern, die sicherlich nicht unbedingt der „Esoterik“ zugewandt waren.
Genesen durch Entspannen
Vielen Betroffenen ist leider nicht bewusst, wie enorm wichtig eine gezielte Entspannung bei der Überwindung eines Tinnitus ist. Dabei hat die neurowissenschaftliche Forschung längst ergeben, dass nicht eine vermeintliche Schädigung des Innenohrs, sondern Stress zumeist die Hauptursache für einen Tinnitus ist.
Stress allein kann einen Tinnitus hervorrufen, ohne dass es irgendeiner Hörstörung bedarf. Und sobald ein Tinnitusgeräusch wahrgenommen wird, ist es ganz maßgeblich die negative körperliche, emotionale und kognitive Stressreaktion, die das Ohrgeräusch verstetigt und zu einem Leiden werden lässt.
Jeglicher Stress, auch psychischer (Ängste, Sorgen, Grübeln etc.), führt zu einer Verstärkung der Signale innerhalb des Hörsystems, einschließlich des Tinnitus! Wird dann der Tinnitus erst einmal im Rahmen einer allgemeinen inneren Abwehr- und Stressreaktion als „bedrohlich“ eingestuft, zieht dies ganz unwillkürlich eine laufende Aufmerksamkeit für das Geräusch nach sich. Daraus kann sich leicht ein Teufelskreis entwickeln.
Eine gezielte Entspannung kann entscheidend dazu beitragen, eine solche verhängnisvolle Spirale zu stoppen und umzukehren.
Entspannungsverfahren sind daher längst eine wesentliche Säule auch der klinischen Tinnitus-Behandlung. Neben Entspannungsübungen (Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung, Yoga oder Qi Gong) werden auch Übungen zur sogenannten achtsamkeitsbasierten Stressreduktion und regelmäßige sportliche Betätigung empfohlen.
Generell hat sich in der Praxis in den vergangenen Jahren immer mehr die Erkenntnis durchgesetzt, dass die mit Abstand größten Heilungserfolge durch sogenannte multimodale Therapien erreicht werden.
Die HNO-ärztliche Diagnose und gegebenenfalls Behandlung ist dabei nurmehr Ausgangspunkt, während der eigentliche Therapieerfolg durch eine umfangreiche Aufklärung, verschiedene Varianten der Klangtherapie und einen systematischen Stressabbau erzielt werden. (Individuell kann zusätzlich ein psychotherapeutisches Counseling oder die Versorgung mit einem Hörgerät heilungsfördernd sein.)
Yoga ist wie geschaffen
Letztlich ist nicht entscheidend, welchen der genannten Entspannungswege Sie wählen. Was zählt ist, dass sie zumindest einen erlernen und wenigstens für einige Zeit regelmäßig betreiben. Yoga ist allerdings wie geschaffen für die Tinnitus-Selbsthilfe. Denn durch die Verbindung von Bewegung und Meditation bewirkt es eine Entspannung auf vielen Ebenen gleichzeitig.
Das Wort „Yoga“ entstammt dem altindischen Sanskrit und bedeutet so viel wie „Einheit, Harmonie“. Die Körper- und Atemübungen entspringen einem uralten, umfassenden Erleuchtungsweg. Diese spirituelle Tradition schwingt auch in manchen Yoga-Zentren hierzulande mit. In den meisten Studios hat das Yoga aber eher „Wellness“-Charakter.
Im Kern zielt Yoga schlicht auf eine Harmonisierung von Körper, Geist und Seele, auf Bewusstsein und Präsenz im Hier und Jetzt. Das kann man dann Spiritualität nennen oder nicht. Vor allem tut es Ihnen gut!
Wie Sie den Anfang machen
Am besten lernen Sie Yoga in einem Kurs. Übungsstunden kombinieren in der Regel Körperübungen (die „Asanas“), Phasen der Tiefenentspannung sowie Atem- und Meditationsübungen. Die (möglichst) tägliche Praxis daheim muss aber nicht lang sein. Schon 15 Minuten täglich können einen großen Unterschied machen.
Yoga ist mittlerweile so populär geworden, dass für jeden Geschmack das passende Angebot zu finden ist. Die Bandbreite reicht vom sehr sanften, langsamen Yin Yoga bis zum fitnessorientierten Power-Yoga. Tinnitus-Betroffene sollten eher gemäßigte Varianten wählen, eben solche, die sie besonders gut entspannen.
Ein spezielles Yoga gegen Tinnitus gibt es nicht. Die heilsame, entspannende Wirkung ergibt sich ja gerade aus der Aktivierung und Harmonisierung des ganzen Körpers. Ein besonderer Fokus zum Beispiel auf die Ohren oder den Kopf würde dem völlig zuwiderlaufen.
Wenn Sie noch keine Yoga-Erfahrung haben, sollten Sie unbedingt einen echten Anfängerkurs besuchen, der bei Null beginnt und Sie behutsam in die Methode einführt. Yoga-Studios bieten zwar täglich viele offene Übungsstunden „für Anfänger und Fortgeschrittene“ an. Schwierigkeitsgrad und Tempo orientieren sich dann aber meist an der Mehrheit der fortgeschrittenen Teilnehmer.
Angebote für zehnstündige Anfängerkurse gibt es schon ab rund 100 Euro. Viele Krankenkassen übernehmen einen Großteil der Kosten im Rahmen ihrer Programme zur allgemeinen Gesundheitsvorsorge. Die TK beteiligt sich zum Beispiel pauschal mit 75 Euro. Unter dem Strich erhielten Sie dann einen ganzen Yoga-Kurs zum Preis eines Abendessens! Erkundigen Sie sich bei Ihrer Kasse nach Fördermöglichkeiten und Kursangeboten in Ihrer Region.
Bedenken abschütteln
Lassen Sie sich nicht von Bedenken abhalten, Sie seien für Yoga zu schwach oder zu ungelenkig. Ein in der Yoga-Szene beliebter Spruch lautet: „Zu glauben, man sei zu ungelenkig für Yoga, ist als würde man meinen, man sei zu dick für eine Diät.“ Allerdings geht es im Yoga auch gar nicht vordergründig um Gelenkigkeit oder oberflächliche Anmut!
Die erstaunliche, positive Wirkung des Yoga ergibt sich in allererster Linie aus der bewussten Präsenz, mit der man die Übungen vollzieht, ganz besonders aus dem bewussten Fließen des Atmens, das jeder leicht erlernen kann. Zudem gibt es für die meisten Asanas leichtere Varianten für Übende mit weniger Kraft oder Beweglichkeit. Auch gängige Hilfsmittel wie Yoga-Blocks erleichtern das Üben.
Yoga eignet sich grundsätzlich für Menschen jeden Alters und auch für erkrankte Menschen. Bei vorhandenen körperlichen Risiken wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Rückenproblemen ist aber vorher ein Arzt zu konsultieren. Völlig untrainierte Menschen sollten es ganz besonders ruhig angehen lassen.
Ansonsten gilt: Der Anfang mag Sie etwas Überwindung kosten und auch körperlich herausfordern. Doch wenn Sie dranbleiben und etwas Routine entwickeln, werden Sie höchstwahrscheinlich schon nach kurzer Zeit mit den ersten positiven Resultaten belohnt. Dabei winken neben einer Linderung des Tinnitus generell ein Plus Lebensqualität, Ausgeglichenheit und Energie.
Einen Einblick in Yoga-Übungen für Anfänger können Sie sich auch mit den Buchtipps am Ende dieses Artikels verschaffen. Auch auf YouTube finden sich viele gute Übungsanleitungen.
Entspannung trotz Stille
Eine erhebliche Schwierigkeit für Tinnitus-Betroffene bei Entspannungsübungen aller Art besteht für gewöhnlich darin, dass die Übungen traditionell in ruhiger Umgebung vollzogen werden. Während die meisten Menschen sich in stiller Umgebung am besten entspannen können, fällt es Menschen mit Tinnitus gerade dann besonders schwer.
Damit Sie sich dennoch ganz auf das Yoga einlassen zu können, hören Sie beim Üben einfach entspannende Musik oder besser noch schöne Klänge der Natur. Eine große Auswahl hochwertiger therapeutischer Klänge speziell für Tinnitus-Betroffene finden Sie hier auf unserer Website.
Systematisch genesen
Wenn Sie ganz gezielt zu einem vom Tinnitus unbeeinträchtigten Leben zurückkehren möchten, dann sei Ihnen Das Große Tinnitus-Heilbuch ans Herz gelegt.
Auf dem aktuellen Stand von Forschung und Therapie bündelt dieser bahnbrechende Ratgeber die erwiesenermaßen wirksamsten Heilungsstrategien zu einem optimalen Selbsthilfeprogramm.
JS
QUELLEN
- Fröhlich-Gildhoff, Dr. med. Gabriele: Tinnitus und Yoga. In: Tinnitus Forum 2-2016, S. 46-48 (Mitgliederzeitschrift; Sie können hier ein Probeexemplar anfordern)
- Brandt, Steffen / Ihle, Wolfgang / Esser, Günter / Blechner, Wilfried: Eine Studie zur Wirksamkeit von Yoga und Autogenem Training. In: Viveka. Materialien zu Prävention und Gesundheitsförderung, 2004, Heft 31, S. 6-19
- Naveen G.H., Thirthalli J., Rao M.G. et al.: Positive therapeutic and neurotropic effects of yoga in depression: A comparative study. Indian Journal of Psychiatry, 2013, Heft 7, S. 400-404
- Yoga Journal: 38 Health Benefits of Yoga
- Fraser, Tara: Yoga für Einsteiger. Das Übungsprogramm für Zuhause, 2013
- Yoga-Vidya: Yoga für Anfänger
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