Ob Erkältung, grippaler Infekt, Grippe, Nasennebenhöhlenentzündung, Mittelohrentzündung oder Mandelentzündung (Angina): Jegliche Infektion von Ohr, Nasenraum oder Rachen kann ein Ohrgeräusch auslösen.
Plötzlich hört man ein Rauschen, Pfeifen, Piepen, Sausen oder ein anderes seltsames Geräusch, scheinbar „im Ohr“ oder „im Kopf“. Während diese ungewohnte Wahrnehmung manche Betroffene eher kaltlässt, wird sie für andere schnell zu einer großen Belastung.
Wenn Sie aber wissen, warum das Ohrgeräusch sich einstellt und wie es am besten wieder abklingt, brauchen Sie sich nicht unnötig sorgen. Sie erhalten gleich verlässliche Antworten auf die Fragen:
- Warum löst ein Infekt ein Ohrgeräusch aus?
- Welche medizinische Behandlung ist geboten?
- Wie verhalte ich mich richtig, um das Risiko eines dauerhaften Tinnitus zu minimieren?
Legen wir also los!
Warum verursacht eine Erkältung Tinnitus?
Das Geräusch, das Sie im Zuge des Infektes hören, ist ein Tinnitus. So nennt man in der Medizin ein „Phantomgeräusch“, das nicht auf äußeren Schall oder leise Geräusche des Körpers zurückgeht, sondern erst im Hörsystem des Gehirns erzeugt wird.
Dabei „funkt“ der Tinnitus nicht, wie man früher einmal dachte, aus dem Ohr. Vielmehr entsteht er erst am anderen Ende des Hörnervs: im Hörzentrum des Gehirns.
Ein solcher Tinnitus ist gar nichts Ungewöhnliches. Experimente von Hörforschern ergaben sogar, dass fast jeder Mensch – vorübergehend – einen Tinnitus hört, wenn er oder sie in einem absolut schalltoten Raum längere Zeit ganz genau „hinhört“.
Ein Großteil der Bevölkerung hat ein solches Geräusch tatsächlich schon einmal vernommen, zumindest für einige Momente, z.B. in Stresssituationen oder nach einem lauten Konzert.
Ein Problem wird daraus nur, wenn der an für sich harmlose Tinnitus eine starke innere Alarmreaktion auslöst und bestehen bleibt. Dann kann sich auch ein ernsthaftes Leiden entwickeln. Sie beugen dem vor, indem Sie meine Ratschläge weiter unten beherzigen.
Nur zwei Ursachen
Nach dem universalen Tinnitus-Modell, das die gesamte aktuelle Forschung ordnet und erstmals 2018 im Großen Tinnitus-Heilbuch vorgestellt wurde, gibt es nur zwei übergeordnete Ursachen:
- Hörstörungen (bedingt durch Lärm, Schwerhörigkeit, Hörsturz, Infektionen der oberen Atemwege und Ohren, Halswirbelsäulenstörungen, bestimmte Medikamente oder – in seltenen Fällen – organische Erkrankungen)
- eine übermäßige Empfindlichkeit im Hörsystem (insbesondere bedingt durch Stress, Geräuschüberempfindlichkeit und Stille)
Die Antwort ist also:
Infektionen von Hals, Nase oder Ohren (wie eine Erkältung oder Mittelohrentzündung) lösen einen Tinnitus aus, indem sie Hörstörungen bewirken.
Während eines Infekts wird nämlich oft die Belüftung des Mittelohres gestört, oder das Mittelohr entzündet sich. Dann kommt es auf der betroffenen Seite zu einer dumpfen Hörminderung.
Diese plötzliche „Erkältungsschwerhörigkeit“ führt dazu, dass im Hörsystem des Gehirns eine ganze Reihe von Ausgleichsaktivitäten in Gang kommen, um die Hörschwäche zu kompensieren.
Dabei kommt es vor, dass einigen Nervenzellen im Hörzentrum sozusagen „die Sicherung durchbrennt“. Sie geraten in eine unkontrollierte Überaktivität – die man dann als Geräusch wahrnimmt.
Das ist der Tinnitus.
Die Gefahr, dass ein Infekt zu einem Tinnitus führt, ist umso größer, wenn noch weitere der oben genannten Risikofaktoren hinzukommen – dass heißt, wenn man…
- sich großem Lärm aussetzt oder bereits eine deutliche Hörschwäche vorhanden ist
- zugleich sehr gestresst ist (also angespannt, belastet, unausgeglichen, besorgt, traurig, deprimiert oder grübelig)
- unter einer allgemeinen Überempfindlichkeit gegenüber äußeren Geräuschen leidet
- viel Zeit in großer Stille verbringt
Dazu später mehr.
Was geschieht bei einem Infekt?
Sehen wir uns erst einmal an, wie der Infekt das Ohrgeräusch ausgelöst hat. Das Wissen darum hilft Ihnen beim weiteren Vorgehen (einschließlich der medizinischen Behandlung) sehr.
Erkältung oder Grippe
Die Ausgangserkrankung ist meist eine gewöhnliche Erkältung, also eine von „Erkältungsviren“ hervorgerufene Infektion der oberen Atemwege mit typischen Symptomen wie Schnupfen, Niesen, Husten, Halsschmerzen, Heiserkeit, Abgeschlagenheit und manchmal Kopf- oder Gliederschmerzen.
Kommt zu solchen Beschwerden auch noch leichtes Fieber hinzu, spricht man auch von einem grippalen Infekt.
Mit einer echten Grippe (Influenza) hat das aber nichts zu tun. Eine Grippe wird von anderen, deutlich „aggressiveren“ Viren entfacht. Sie beginnt meist nicht schleichend wie eine Erkältung, sondern recht plötzlich, und sie verursacht deutlich stärkere Beschwerden wie hohes Fieber (oft über 40°C), Schüttelfrost sowie Kopf-, Muskel- oder Gliederschmerzen.
Vom Schnupfen zum Tinnitus
Die Erkältung beginnt meist mit einem Schnupfen, indem Viren durch die Atemluft, Händeschütteln oder Gegenstände wie Türklinken übertragen werden und dann in die Nasenschleimhaut eindringen.
Dadurch entzündet sich die Nasenschleimhaut und sondert das typische, schleimige Sekret ab. (Ein bisschen Schleim produzieren Schleimhäute ja immer. Die Extra-Produktion bei einem Infekt dient dazu, die Krankheitserreger loszuwerden.)
Wenn das Immunsystem erst geschwächt und die Schleimhaut der Nase oder Nasennebenhöhlen angegriffen ist, schlägt die Stunde der Bakterien.
Diese können sich nun leicht auf der Schleimhaut ansiedeln – und sich dann in den Atemwegen weiter ausbreiten, etwa zum Rachen oder bis ins Mittelohr. So kommt es dann zu einer bakteriellen Nasennebenhöhlenentzündung, Mandelentzündung oder Mittelohrentzündung.
(Tuben-)Belüftungsstörung
Sehr häufig wird bei einem solchen Infekt auch die Schleimhaut der sogenannten Ohrtrompete (auch Eustachische Röhre oder Tube genannt) befallen, woraufhin sie anschwillt.
Diese trompetenförmige Röhre (in der Abbildung unten rechts gut zu erkennen) beginnt im Nasenrachen und zieht sich von dort bis zu dem mit Luft gefüllten Mittelohr. Die Verbindung ermöglicht einen Druckausgleich, der für das intakte Hören unerlässlich ist.
Wenn die Ohrtrompete anschwillt und sich verschließt, wird das Mittelohr nicht mehr ausreichend belüftet.
Dann entsteht ein Unterdruck, der sich meist auch in einem mehr oder weniger unangenehmen Druckgefühl im Ohr äußert. Daneben kommt es zu einer „dumpfen“ Hörminderung, oft begleitet von leichten Ohrenschmerzen oder einem Knacken beim Schlucken.
Allein eine solche vorübergehende Belüftungsstörung kann ein Ohrgeräusch auslösen.
Das Tinnitus-Risiko steigt zusätzlich, wenn zur Belüftungsstörung noch eine Mittelohrentzündung kommt.
Mittelohrentzündung
Manchmal dringen die Erreger – in der Regel vor allem Bakterien – von der Nasen- oder Rachenschleimhaut über die Ohrtrompete bis in das ebenfalls mit einer Schleimhaut ausgekleidete Mittelohr vor.
Dann lösen sie auch dort eine Entzündung aus. Und wenn sich die Ohrtrompete verschließt und die Frischluftzufuhr ausbleibt, vermehren sich die Bakterien im Ohr besonders gut.
Ebenso wie die Nasenschleimhaut bei Schnupfen produziert nun auch die entzündete Mittelohrschleimhaut viel Sekret – das aber im Gegensatz zur Nase nicht einfach abfließen kann.
Stattdessen staut sich das Sekret in dem großen Hohlraum des Mittelohrs, der auch „Paukenhöhle“ genannt wird. Man spricht daher von einem Paukenerguss. Und dieser Paukenerguss führt nun zwangsläufig zu einer ganz erheblichen Hörminderung.
Denn im Mittelohr befindet sich – das wissen Sie vielleicht noch aus dem Biologieunterricht – eine filigrane Kette von Gehörknöchelchen, welche die Schallschwingungen vom Trommelfell aufnehmen und ins Innenohr übertragen. Die Flüssigkeitsansammlung behindert nun aber die Beweglichkeit dieses Apparats.
Die Folge ist eine vorübergehende (Schallleitungs-)Schwerhörigkeit: Man hört auf dem betroffenen Ohr schlechter, unter Umständen sogar kaum noch etwas. Die mittleren und hohen Frequenzen werden dabei besonders stark gedämpft.
Diese Hörminderung führt dann im Hörsystem zu allerhand irregulären und Ausgleichsaktivitäten, die sich schließlich im Hörzentrum zu einem Tinnitus aufschaukeln können.
Das angestaute Sekret drückt zugleich auf das Trommelfell, und man empfindet typischerweise ein Druck- oder Völlegefühl auf dem Ohr, oft begleitet von Knackgeräuschen. Weil das Ohr auch unser Gleichgewichtsorgan beherbergt, kann es auch zu Schwindel kommen.
Die Mittelohrentzündung bzw. der Paukenerguss können starke stechende oder pulsierende Schmerzen verursachen. Gerade bei Erwachsenen verläuft die Erkrankung oft aber auch weitgehend schmerzfrei. Im Zuge der Immunabwehr kann es – ebenso wie bei einer Erkältung – auch zu erhöhter Temperatur oder Fieber kommen.
Wird der Druck durch das angesammelte Sekret allzu groß, kann das Trommelfell reißen. Das Sekret fließt dann in den Gehörgang ab. Etwaige Schmerzen lassen dann abrupt nach. Der Riss im Trommelfell ist meist klein und verheilt innerhalb weniger Tage oder Wochen von selbst.
Tinnitus durch Erkältung: Wann zum Arzt?
Bei einer gewöhnlichen viralen Erkältung lassen die Symptome in der Regel spätestens nach einer Woche deutlich nach. Nach zwei Wochen sollte die Erkältung ganz abgeklungen sein. Auch eine Mittelohrentzündung verheilt Studien zufolge meist innerhalb weniger Tage von allein, auch ohne Antibiotika oder andere Behandlungen.
Spätestens mit dem Ausheilen der Erkrankung ist dann meist auch der Tinnitus wieder verschwunden.
Dennoch lautet unsere allgemeine Empfehlung ganz klar:
Wenn sich im Zuge einer Erkältung oder einer anderen akuten Hals-Nasen-Ohren-Erkrankung ein Ohrgeräusch eingestellt hat, suchen Sie bitte möglichst noch am gleichen, spätestens am nächsten Tag einen HNO-Arzt auf.
Falls die Erkrankung nun schon einige Tage oder länger andauert, ohne dass Sie bisher einen Arzt aufgesucht haben, holen Sie den Besuch beim HNO-Arzt bitte umgehend nach.
Eine Tubenbelüftungsstörung oder Mittelohrentzündung ist kein medizinischer Notfall, rechtfertigt aber – zumal wenn ein Ohrgeräusch hinzukommt – eine Behandlung als Akutpatient. Wenn nötig, übertreiben Sie gegenüber der Arzthelferin Ihre Beschwerden (z.B. Ohrenschmerzen), um kurzfristig in die Sprechstunde kommen zu können.
Kann der HNO-Arzt das Ohrgeräusch behandeln?
Beim Arzt geht es allerdings nicht um eine direkte Behandlung des Ohrgeräusches. Denn ein Tinnitus ist unmittelbar medizinisch nicht behandelbar. (Abgesehen davon ist der Tinnitus aus ärztlicher Sicht auch keine eigenständige Erkrankung, sondern „nur“ ein Symptom, in diesem Fall des Infektes.)
Skrupellose Pharma-Firmen vermarkten zwar unter anderem Ginkgo-Mittel (Tebonin, Gingium etc.) zur Tinnitus-Behandlung. Große Studien haben aber ergeben, dass Ginkgo (ebenso wie alle anderen durchblutungsfördernden Wirkstoffe) bei Ohrgeräuschen völlig wirkungslos sind. Alles dazu hier in unserem großen Ginkgo-Ratgeber.
Die Studienlage ist eindeutig: Es gibt bislang kein Medikament gegen Tinnitus, jedenfalls keines, das hilft.
Wenn ein Tinnitus im Zuge der oben beschriebenen, üblichen Krankheitsverläufe auftritt, liegt grundsätzlich auch keine akute Hörschädigung (etwa der Sinneszellen in der Hörschnecke) vor, die nun irgendwie behandelt werden könnte.
Vielmehr entsteht der Tinnitus ja lediglich als Reaktion auf die vorübergehende Hörminderung bzw. Schallleitungs-Schwerhörigkeit.Mit dem Abklingen des Infekts klingt diese mit größter Wahrscheinlichkeit wieder vollständig ab.
Was jetzt medizinisch zählt, ist, dass die auslösende Erkrankung, etwa die Mittelohrentzündung, gleich bestmöglich behandelt wird, damit sie möglichst zügig ausheilt.
Denn damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch das Ohrgeräusch bald wieder abklingt.
Tatsächlich verschwindet ein Tinnitus in den meisten Fällen schon nach einigen Stunden oder Tagen, spätestens aber mit dem Ausheilen des Infektes von allein. Verlass ist darauf aber nicht.
Denn egal, was einen Tinnitus zunächst verursacht: Das Geräusch kann sich relativ schnell verselbständigen – und dann „weiterfunken“, auch wenn sich die Ursache (in unserem Fall die Erkältung, Nasennebenhöhlenentzündung, Mandelentzündung oder Mittelentzündung) längst in Wohlgefallen aufgelöst hat.
Als Faustregel gilt: Je länger die auslösenden Hörstörungen andauern, desto größer ist das Risiko, dass der Tinnitus bis auf Weiteres zurückbleibt.
Eine gründliche Diagnose und optimale Behandlung des Infektes durch einen fähigen HNO-Arzt ist deshalb immer ratsam – auch wenn kein Arzt hier über Nacht Wunder vollbringen kann.
Welche medizinische Behandlung ist geboten?
Wenn ein Infekt einen Tinnitus ausgelöst hat, ist die Behandlung des Infektes immer nur die halbe Miete.
Mindestens ebenso wichtig ist es, von Anfang an richtig mit dem Tinnitus umzugehen. Wer sich hier richtig verhält, kann die Gefahr, dass das Geräusch bestehen bleibt und zu einem ernsthaften Problem wird, erheblich verringern. Dazu gleich mehr.
Tubenbelüftungsstörung
Im Falle einer zugeschwollenen Ohrtrompete ist es wichtig, die Belüftung des Mittelohres wiederherzustellen. So beheben Sie die Tinnitus-auslösende Hörminderung (und machen zugleich etwaigen Erregern im Ohr das Leben sehr schwer).
Als Sofortmaßnahme hilft in minder schweren Fällen ein gezielter Druckausgleich, wie er routinemäßig beim Tauchen oder Fliegen gemacht wird. Ärzte sprechen vom „Valsalva-Manöver“.
Dafür hält man sich die Nase zu und atmet bei geschlossenem Mund kräftig „in die Nase aus“. Mit etwas Glück lässt die „Erkältungsschwerhörigkeit“ dann etwas nach und der Tinnitus klingt kurzfristig ab.
Sie werden es vermutlich spüren und über ein kleines Zischen, Knistern oder Knacken im Ohr auch hören, wenn der Druckausgleich zustandekommt. Ist der Ausgleich möglich, lässt er sich – soweit es keine ärztlichen Einwände gibt – mehrmals pro Stunde wiederholen.
Aber Vorsicht: Versuchen Sie nicht, den Druckausgleich mit größerer Gewalt herbeizuführen.
Nutzen Sie das bewährte Mittel der Inhalation, um Schleim zu lösen und die Ohrtrompete abschwellen zu lassen. Verwenden Sie zum Inhalieren am besten einen Kunststoff-Dampfinhalator, den es für wenige Euro in Apotheken und Drogerien gibt.
In den Topf des Inhalators gießt man heißes, fast kochendes Wasser. Um tief sitzenden Schleim zu lösen, gibt man etwas „Erkältungssalbe“ oder einige Tropfen eines ätherischen Öls (Eukalyptus, Fichtennadeln, Latschenkiefer) hinzu, für eine entzündungshemmende, antibakterielle Wirkung Kamillenblüten.
Alternativ mag auch ein abschwellendes Nasenspray oder Nasentropfen helfen. Beides sollte im Liegen bei zurückgeneigtem Kopf angewendet werden, damit der Wirkstoff auch tatsächlich durch den Nasenrachenraum bis zur Ohrtrompete gelangt.
Aber Vorsicht: Setzen Sie Nasensprays oder -tropfen nie länger als etwa fünf Tage ein, weil sonst Ihre Nasenschleimhaut geschädigt wird und ein Gewöhnungseffekt eintritt – mit der fatalen Folge, dass die Schleimhaut ohne die Arznei gar nicht mehr abschwillt!
Wissenschaftlich erwiesen ist: Die Heilung der eigentlichen Erkältung lässt sich durch Medikamente nicht nennenswertbeschleunigen. Die gängigen Arzneien lindern oder unterdrücken bestenfalls die Symptome.
Und weil Antibiotika nur gegen Bakterien wirken, helfen sie nur bei bakteriellen Folgeinfektionen, nicht aber gegen die Viren, von denen die Erkältung ausgeht. Bei einer bloßen Tubenbelüftungsstörung infolge eines viralen Schnupfens sind Antibiotika daher meist nutzlos.
Mittelohrentzündung
Bei einer akuten Mittelohrentzündung verordnen Ärzte dagegen häufig Breitband-Antibiotika. Unbedingt nötig ist das keineswegs, denn wie gesagt: Studien zufolge heilt eine Mittelohrentzündung meist innerhalb weniger Tage von allein aus, ganz ohne Medikamente.
In unserem Fall aber, wenn der Infekt einen Tinnitus ausgelöst hat, sollte grundsätzlich eher früher als später ein Antibiotikum eingesetzt werden, um die Gefahr eines länger anhaltenden Tinnitus zu reduzieren.
Völlig unbedenklich ist die Einnahme von Antibiotika nicht. So bergen die Arzneien das Risiko zahlreicher Nebenwirkungen – zu denen übrigens in seltenen Fällen auch Ohrgeräusche zählen. (Mit großem Pech könnte es also passieren, dass ein Antibiotikum den akuten Tinnitus sogar verstärkt bzw. diesem auf dem Wege zusätzlicher Hörstörungen ein weiteres Ohrgeräusch hinzufügt. Das ist allerdings äußerst unwahrscheinlich.)
Der Arzt muss in jedem Einzelfall abwägen, ob und wann er zu einem Antibiotikum greift. Wichtig ist dabei auch, ob es sich nach seiner Einschätzung wirklich um eine bakterielle Infektion handelt.
Gerade bei sehr schmerzhaften Mittelohrentzündungen werden außerdem schmerzstillende und entzündungshemmende Medikamente wie Ibuprofen oder Paracetamol eingesetzt.
Falls die Schmerzen bei einer Mittelohrentzündung allzu stark werden, kann der HNO-Arzt durch einen gezielten kleinen Trommelfellschnitt (auch „Parazentese“ genannt) für Erleichterung sorgen und die angestaute Flüssigkeit so abfließen lassen.
Abwehrkräfte stärken
Ganz wichtig ist, dass Sie in jedem Fall – auch bei einer Mittelohrentzündung und egal, welche Arzneien Sie verordnet bekommen – die Selbstheilungskräfte Ihres Körpers unterstützen.
Deshalb: Schlafen Sie viel, mindestens sieben Stunden in der Nacht, gern auch noch ein wenig tagsüber. Schonen Sie sich. Vermeiden Sie größere körperliche und psychische Belastungen.
Wenn Ihnen danach ist, bleiben Sie im Bett. (Alles zum Thema Krankschreibung finden Sie hier.)
Trinken Sie viel, mindestens zwei Liter Wasser oder Tee am Tag. Halten Sie sich warm. Lüften Sie aber auch immer wieder Ihr Zimmer gut durch. Und essen Sie gesund, gerade jetzt viel Obst und frisches Gemüse.
Wie gehe ich richtig mit dem Tinnitus um?
Daran besteht kein Zweifel: Mindestens genauso wichtig wie ein zügiges Auskurieren des Infektes ist, dass Sie möglichst von Anfang richtig mit dem Ohrgeräusch umgehen.
Die neurowissenschaftliche Forschung hat ergeben, dass ein gerade entstandener Tinnitus im Gehirn durch Rückkopplungen verstetigt und verstärkt wird, die sich vor allem aus der Aufmerksamkeit für den Tinnitus und aus der „Stressreaktion“ auf das Geräusch speisen.
In Klartext heißt das:
Je mehr Sie auf den Tinnitus fokussieren und je gestresster (dass heißt: alarmierter, besorgter, angespannter) Sie auf das Geräusch reagieren, desto mehr stört der Tinnitus – und desto eher bleibt er bestehen.
Umgekehrt gilt:
Die Wahrscheinlichkeit, dass der Tinnitus bald wieder abklingt, ist umso größer, je weniger Sie das Geräusch beachten und je besser Sie sich entspannen.
Unmittelbar aus dieser zentralen wissenschaftlichen Erkenntnis folgen vier wichtige Sofortmaßnahmen:
- Ruhe bewahren,
- den Tinnitus möglichst wenig beachten und sich gut ablenken,
- sich entspannen – und
- Stille meiden.
Ruhe bewahren
Das oberste Gebot lautet: Bewahren Sie die Ruhe. Widmen Sie dem Tinnitus nicht unnötig viel Aufmerksamkeit.
Beschäftigen Sie sich möglichst wenig bis gar nicht mit dem Ohrgeräusch. Und auch wenn das Geräusch Sie gerade stört: Steigern Sie sich nicht in diese Empfindung hinein.
Machen Sie sich klar, dass der Tinnitus lediglich eine gewöhnliche Begleiterscheinung des Infekts ist und als solche mit großer Wahrscheinlichkeit in Kürze wieder abklingt.
Sie sind weder verrückt, noch müssen Sie zum Neurologen. Der Tinnitus stellt keine gesundheitliche Gefahr dar. Und er ist auch keinAnzeichen für eine akute Schädigung des Gehörs, sondern bloß die Folge einer vorübergehenden Hörstörung bzw. -minderung.
Entspannen Sie sich
In unser Gehirn ist ein Millionen Jahre alter Mechanismus eingebaut: Stress (also Angst, Druck, Anspannung etc.) erhöht die Empfindlichkeit im Hörsystem! Das sollte uns ursprünglich ermöglichen, bei Gefahr besonders wachsam und „hellhörig“ zu sein
Ein Nebeneffekt ist allerdings, dass im gestressten, angespannten Zustand selbst harmlose, nur vorübergehende Hörstörungen leichter „eskalieren“ und sich zu einem Tinnitus aufschaukeln können.
Nun bedeutet jede Erkrankung, auch eine Erkältung oder Mittelohrentzündung für Körper und Psyche Stress.
Wer während eines Infekts außerdem noch stark unter Druck steht, sehr angespannt ist, Ängste oder Sorgen hat, sich niedergeschlagen, traurig, verärgert oder wütend fühlt oder einfach bloß immerfort grübelt, entwickelt umso eher einen Tinnitus.
Sobald der Tinnitus erst da ist, macht Stress das Geräusch erheblich lauter (und störender). Denn die stressbedingt erhöhte Empfindlichkeit im Hörsystem verstärkt nicht bloß äußere Geräusche, sondern auch das intern erzeugte Ohrgeräusch.
Die beste „erste Hilfe“ in Bezug auf den Tinnitus ist deshalb jetzt, wenn Sie sich so gut wie möglich entspannen und ablenken.
Es gilt jetzt, frühzeitig den Teufelskreis zu unterbinden, der im Zentrum jedes Tinnitus-Leidens steht:Je mehr man auf den Tinnitus fokussiert, desto wichtiger und störender wird er – weshalb er dann noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht, und so weiter.
Sie tun sich deshalb einen großen Gefallen, wenn Sie dem Ohrgeräusch möglichst wenig Beachtung schenken.
Lenken Sie sich ab, mit schönen, angenehmen Beschäftigungen, die Sie entspannen und zugleich Ihre Aufmerksamkeit binden. Was im Falle einer Krankschreibung möglich ist und welche Fehler man dabei vermeiden sollte, erkläre ich hier.
Meiden Sie Stille
Wer krank ist, neigt dazu, mehr also sonst die Stille zu suchen. Man verbringt womöglich viel Zeit im sprichwörtlichen „stillen Kämmerlein“, im Bett oder auf der Couch, hinter dicken Wänden und Doppelglas-Fenstern.
Genau dies aber kann einem bei einer Erkältung schnell zum Verhängnis werden. Denn Stille hat einen ähnlichen Effekt wie Stress! Bei großer Stille schraubt das Hörsystem nämlich eigenständig seine interne Empfindlichkeit hoch. Es strengt sich sozusagen an, irgendetwas zu hören.
Genau wie im gestressten Zustand wird dann aus einer Hörstörung leichter ein Tinnitus.
Wenn das Ohrgeräusch erst da ist, ist es in sehr stiller Umgebung in der Regel besonders präsent – und stört dann umso mehr.
Daher gilt: Solange der Tinnitus jetzt da ist, meiden Sie Stille. Umgeben Sie sich mit angenehmen Klängen, am besten mit schöner, dezenter Musik oder beruhigenden Naturgeräuschen wie diesen hier.
Das entlastet das Hörsystem, beruhigt Ihr gesamtes Nervensystem und drängt das Ohrgeräusch in den Hintergrund.
Jede Art von akustischer Ablenkung ist jetzt willkommen, solange sie Ihnen nicht unangenehm ist oder Sie stresst. Das heißt: Besser Fernsehen oder Netflix als Totenstille! Am besten geeignet sind aber eher beiläufige Geräusche, die Sie zugleich entspannen.
Systematisch genesen
Falls der Tinnitus schließlich doch länger bestehen bleibt (oder falls er Sie aktuell bereits seit längerer Zeit stört), sei Ihnen Das Große Tinnitus-Heilbuch ans Herz gelegt.
Auf dem neuesten Stand von Forschung und Therapie bündelt dieses Buch die erwiesenermaßen wirksamsten Heilungsstrategien zu einem optimalen Selbsthilfeprogramm.
JS
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