Die meisten Menschen, die unter einem Ohrgeräusch leiden, weisen mindestens eine leichte Schwerhörigkeit auf. Ein Hörgerät kann dann eine spürbare Entlastung bringen – und eine systematische Genesung erleichten. Warum das so ist, erklären wir Ihnen hier genau.
Wer einen belastenden Tinnitus und eine erhebliche Hörschwäche hat, kann sogar ein Gerät erhalten, das ganz speziell für diese Situation gedacht ist: ein sogenanntes Kombinationsgerät.
Dabei handelt es sich um ein modernes Hörgerät mit eingebautem Tinnitus-Noiser. Das heißt, man kann bei Bedarf ein dezentes Rauschen in den Gehörgang einspielen, das den Tinnitus angenehm in den Hintergrund treten lässt.
Beides – reine Hörgeräte oder Kombinationsgeräte – erhalten Sie in Deutschland als gesetzlich Versicherter in einfachen Ausführungen zuzahlungsfrei! Alles, was Sie dazu brauchen, ist ein Rezept von Ihrem HNO-Arzt.
So hilft ein Hörgerät bei Tinnitus
Tatsächlich erfahren Tinnitus-Betroffene häufig schon beim ersten Tragen eines Hörgeräts eine spürbare Linderung.
Denn ein Hörgerät macht den Tinnitus leiser und erträglicher. Und zwar auf drei Weisen zugleich:
1. Entlastung des Hörsystems
Ein Hörgerät entlastet das Hörsystem des Gehirns, weil es sich beim Hören dann nicht mehr so sehr „anstrengen“ muss.
Das menschliche Gehirn versucht nämlich immer, eine Schwerhörigkeit auszugleichen, indem es die Empfindlichkeit in der Hörbahn steigert. Es dreht sozusagen die interne Verstärkung auf.
Allerdings werden dadurch nicht nur äußere Hörreize verstärkt, sondern auch das intern erzeugte „Phantomgeräusch“: die Tinnitus-Aktivität im Hörzentrum.
Da sich der Tinnitus meist im Frequenzbereich des größten Hörverlustes bewegt, ist dieser Effekt besonders groß.
Deshalb hört man das Ohrgeräusch aufgrund der Schwerhörigkeit lauter, als es eigentlich ist.
2. Mehr Ablenkung vom Tinnitus
Weil das Hörgerät sämtliche Umgebungsgeräusche verstärkt, wird das Ohrgeräusch automatisch leiser wahrgenommen. Es sticht weniger hervor und zieht weniger Aufmerksamkeit auf sich.
Der Tinnitus wird dank des Hörgeräts von Umgebungsgeräuschen leichter überlagert oder gar ganz verdeckt. So ist man öfter und länger vom Tinnitus abgelenkt.
3. Stressabbau und Wohlbefinden
Wenn sich jedoch das Hörsystem dank des Hörgeräts nicht mehr so anstrengen muss, geht auch die Verstärkung des Ohrgeräusches zurück – und man hört das Geräusch leiser.
Gezieltes Tinnitus-Retraining mit dem Hörgerät
Die Versorgung mit einem Hör- oder Kombinationsgerät ist auch eine Methode der Tinnitus-Retraining-Therapie. Bei dieser weltweit mit großem Erfolg betriebenen Behandlung, die auf jahrzehntelanger Forschung und klinischer Praxis beruht, wird der Tinnitus allmählich „verlernt“.
Genauer gesagt: Das Ohrgeräusch wird durch das Retraining von einem unangenehmen Störreiz zu einem unwichtigen, „neutralen“ Geräusch, das nicht mehr beachtet werden braucht.
Die Alarm- und Stressreaktion auf den Tinnitus schwindet. Stattdessen wird das Geräusch einem zunehmend gleichgültig und stört nicht mehr – weshalb man es dann automatisch weitgehend überhört.
Kurzum: Mit dem Tinnitus-Retraining, das jetzt endlich auch in Form eines einfachen Selbsthilfe-Programms verfügbar ist, kann man das Tinnitus-Leiden gezielt abbauen.
In vielen Fällen klingt der Tinnitus während des Retrainings sogar ganz ab. Je länger der Tinnitus besteht, desto unwahrscheinlicher wird ein Abklingen. Prinzipiell jedoch erhöht das Retraining die Chance, dass der Tinnitus noch verschwindet, deutlich.
Indem ein Hörgerät die unheilvolle „Fixierung“ auf das Ohrgeräusch mindert, befördert es das heilsame „Unwichtigwerden“ des Tinnitus und damit den beschriebenen Retraining-Effekt.
Noch mächtiger sind Kombinationsgeräte mit integriertem Tinnitus-Noiser. Wie ein solcher Noiser hilft und wie er eingesetzt wird, erkläre ich Ihnen ganz ausführlich hier.
Bin ich überhaupt schwerhörig?
Wie sehr ein Hörgerät die Tinnitus-Belastung mindert bzw. die Tinnitus-Therapie unterstützt, hängt natürlich vom Ausmaß der eigenen Schwerhörigkeit ab.
Genaue Auskunft darüber, ob und inwieweit Sie schwerhörig sind, gibt das sogenannte Hörschwellen-Audiogramm. Diese Untersuchung wird in vielen HNO-Arztpraxen bereits routinemäßig im Rahmen der Tinnitus-Diagnostik vorgenommen.
Diese ärztliche Untersuchung ist auch deshalb wichtig, weil einem die eigene Schwerhörigkeit oft nicht so recht bewusst ist. Schließlich stellt sie sich die Hörminderung in der Regel ganz schleichend, über viele Jahre oder Jahrzehnte ein, sodass einem der schwerhörige Zustand recht „normal“ erscheinen kann.
Manchmal betrifft die Hörminderung auch nur ein Ohr, sodass sie durch ein normales Gehör auf der anderen Seite ausgeglichen wird.
Häufig betrifft sie auch nur einen bestimmten Frequenzbereich – in der Regel die höheren Frequenzen, typischerweise gepaart mit einem ebenfalls hochfrequenten Tinnitus.
Wie sehr beeinträchtigt mich die Schwerhörigkeit?
Ob der HNO-Facharzt ein Hör- oder Kombi-Gerät letztlich empfiehlt, richtet sich aber nicht allein nach den technischen Messwerten. Wichtig ist auch, ob Sie die Hörminderung im Alltagsleben tatsächlich als störend oder einschränkend empfinden.
Unbedingt angeraten ist ein Hörgerät, wenn Sie in Gesprächen mit anderen Menschen regelmäßig nicht alles verstehen können, sich anstrengen müssen, der Unterhaltung zu folgen, oder Ihre Mitmenschen immer wieder bitten müssen, lauter oder deutlicher zu sprechen.
Wenn die alltägliche soziale Kommunikation so beeinträchtigt ist, machen gesellige Zusammenkünfte keine Freude mehr. Stattdessen führt dies oft zu Frustration, Ärger und Rückzug.
Das mindert nicht nur die allgemeine Lebenszufriedenheit, sondern erschwert auch erheblich die Tinnitus-Therapie.
Wenn Sie sich hier wiedererkennen, können Sie also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Denn dann unterstützt das Gerät nicht nur das Tinnitus-Retraining, sondern verbessert auch das Sprachverständnis und die soziale Kommunikation. Dies bedeutet oft einen erheblichen Zugewinn an Lebensqualität.
Fazit
Im Falle einer Schwerhörigkeit zählt die Nutzung eines Hörgerätes oder Kombinationsgerätes zu den wirksamsten Maßnahmen gegen einen störenden Tinnitus.
Die Anwendung des Gerätes sollte allerdings nicht isoliert erfolgen, sondern in eine umfassende kognitiv-verhaltenstherapeutische Tinnitus-Therapie eingebettet werden.
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