Keine Frage: Kaum jemand freut sich auf ein Hörgerät. Wenn sich aber ein störendes Ohrgeräusch eingestellt hat und man außerdem nicht mehr so gut hört, kann ein Hörgerät eine spürbare Entlastung bringen – und eine systematische Genesung befördern.
Wer einen belastenden Tinnitus und eine erhebliche Hörschwäche hat, kann sogar ein Gerät erhalten, das ganz speziell für diese Situation gedacht ist: ein sogenanntes Kombinationsgerät.
Dabei handelt es sich um ein modernes Hörgerät mit eingebautem Tinnitus-Noiser. Das heißt, man kann bei Bedarf ein dezentes Rauschen in den Gehörgang einspielen, das den Tinnitus angenehm in den Hintergrund treten lässt.
Beides – reine Hörgeräte oder Kombinationsgeräte – erhalten Sie in Deutschland als gesetzlich Versicherter in einfachen Ausführungen zuzahlungsfrei! Alles, was Sie dazu brauchen, ist ein Rezept von Ihrem HNO-Arzt.
Klären wir aber erst einmal die entscheidende Frage:
Warum hilft ein Hörgerät bei Tinnitus?
Tatsächlich erfahren Tinnitus-Betroffene häufig schon beim ersten Tragen eines Hörgeräts eine spürbare Linderung.
Denn: Ein Hörgerät macht den Tinnitus leiser. Und zwar, wie man heute weiß, auf zwei Weisen gleichzeitig:
1. Mehr Ablenkung vom Tinnitus
Weil das Hörgerät sämtliche Umgebungsgeräusche verstärkt, wird das Ohrgeräusch automatisch leiser wahrgenommen. Es sticht weniger hervor und zieht weniger Aufmerksamkeit auf sich.
Der Tinnitus wird dank des Hörgeräts von Umgebungsgeräuschen leichter überlagert oder gar ganz verdeckt. So ist man öfter und länger vom Tinnitus abgelenkt.
2. Entlastung des Hörsystems
Zugleich entlastet das Hörgerät das Hörsystem des Gehirns, weil es sich beim Hören nun nicht mehr so sehr „anstrengen“ muss.
Das menschliche Gehirn versucht nämlich immer, eine Schwerhörigkeit auszugleichen, indem es die Empfindlichkeit in der Hörbahn steigert. Es dreht sozusagen die interne Verstärkung auf.
Bloß: Dadurch werden nicht nur äußere Hörreize verstärkt, sondern auch das intern erzeugte „Phantomgeräusch“: die Tinnitus-Aktivität im Hörzentrum. Deshalb hört man das Ohrgeräusch aufgrund der Schwerhörigkeit lauter, als es eigentlich ist.
Wenn sich jedoch das Hörsystem dank des Hörgeräts nicht mehr so anstrengen muss, geht auch die Verstärkung des Ohrgeräusches zurück – und man hört das Geräusch leiser.
Gezieltes Tinnitus-Retraining mit dem Hörgerät
Die Versorgung mit einem Hör- oder Kombinationsgerät ist auch eine Methode der Tinnitus-Retraining-Therapie. Bei dieser weltweit mit großem Erfolg betriebenen Behandlung, die auf jahrzehntelanger Forschung und klinischer Praxis beruht, wird der Tinnitus allmählich „verlernt“.
Genauer gesagt: Das Ohrgeräusch wird durch das Retraining von einem unangenehmen Störreiz zu einem unwichtigen, „neutralen“ Geräusch, das nicht mehr beachtet werden braucht.
Die Alarm- und Stressreaktion auf den Tinnitus schwindet. Stattdessen wird das Geräusch einem zunehmend gleichgültig und stört nicht mehr – weshalb man es dann automatisch weitgehend überhört.
Kurzum: Mit dem Tinnitus-Retraining, das jetzt endlich auch in Form eines einfachen Selbsthilfe-Programms verfügbar ist, kann man das Tinnitus-Leiden gezielt abbauen.
In vielen Fällen klingt der Tinnitus während des Retrainings sogar ganz ab. Je länger der Tinnitus besteht, desto unwahrscheinlicher wird ein Abklingen. Prinzipiell jedoch erhöht das Retraining die Chance, dass der Tinnitus noch verschwindet, deutlich.
Indem ein Hörgerät die unheilvolle „Fixierung“ auf das Ohrgeräusch mindert, befördert es das heilsame „Unwichtigwerden“ des Tinnitus und damit den beschriebenen Retraining-Effekt.
Noch mächtiger sind Kombinationsgeräte mit integriertem Tinnitus-Noiser. Wie ein solcher Noiser hilft und wie er eingesetzt wird, erkläre ich Ihnen ganz ausführlich hier.
Bin ich überhaupt schwerhörig?
Wie sehr ein Hörgerät die Tinnitus-Belastung mindert bzw. das Tinnitus-Retraining unterstützt, hängt natürlich insbesondere vom Ausmaß der eigenen Schwerhörigkeit ab.
Genaue Auskunft darüber, ob und inwieweit Sie schwerhörig sind, gibt das sogenannte Hörschwellen-Audiogramm. Diese Untersuchung wird in vielen HNO-Arztpraxen bereits routinemäßig im Rahmen der Tinnitus-Diagnostik vorgenommen.
Diese ärztliche Untersuchung ist auch deshalb wichtig, weil einem die eigene Schwerhörigkeit oft nicht so recht bewusst ist. Schließlich stellt sie sich die Hörminderung in der Regel ganz schleichend, über viele Jahre oder Jahrzehnte ein, sodass einem der schwerhörige Zustand recht „normal“ erscheinen kann.
Manchmal betrifft die Hörminderung auch nur ein Ohr, sodass sie durch ein normales Gehör auf der anderen Seite ausgeglichen wird.
Häufig betrifft sie auch nur einen bestimmten Frequenzbereich – in der Regel die höheren Frequenzen, typischerweise gepaart mit einem ebenfalls hochfrequenten Tinnitus.
Wie sehr beeinträchtigt mich die Schwerhörigkeit?
Ob der HNO-Facharzt ein Hör- oder Kombi-Gerät letztlich empfiehlt, richtet sich aber nicht allein nach den technischen Messwerten. Wichtig ist auch, ob man die Hörminderung im Alltagsleben tatsächlich als störend oder einschränkend empfindet.
Ist das der Fall, schlagen Sie zwei fliegen mit einer Klappe. Denn dann unterstützt das Gerät nicht nur das Tinnitus-Retraining, sondern verbessert auch das Sprachverständnis und die soziale Kommunikation. Dies bedeutet oft einen erheblichen Zugewinn an Lebensqualität.
Fazit
Im Falle einer ausgeprägten Schwerhörigkeit zählt die Nutzung eines Hör- oder Kombinationsgerätes zu den wirksamsten Maßnahmen gegen einen störenden Tinnitus.
Die Anwendung des Gerätes sollte allerdings nicht isoliert erfolgen, sondern in ein umfassendes Retraining als Gesamtstrategie eingebettet werden.
JS
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