Weil für Ihr Ohrgeräusch keine behandelbaren Ursachen gefunden wurden oder erste Maßnahmen erfolglos waren, erwägen Sie womöglich gerade eine Akupunktur-Behandlung. Dabei soll Heilung in Gang gesetzt werden, indem der Energiefluss im Körper ins Lot gebracht wird. Doch kann Akupunktur einen Tinnitus wirklich zum Abklingen bringen oder zumindest Folgeerscheinungen wie Schlaf- und Konzentrationsstörungen mindern? Unser großer unabhängiger Ratgeber klärt auf.
Akupunktur gegen Tinnitus?
Die Akupunktur ist eine Regulationstherapie aus der traditionellen chinesischen Medizin (TCM). Dabei werden sehr feine Nadeln an bestimmten Punkten des Körpers in die Haut gestochen.
Dies soll Blockaden lösen, die den Fluss der Lebensenergie („Qi“) stören und so Krankheiten und Beschwerden verursachen. Krankmachende Zustände eines Mangels (oder Übermaßes) an Energie in bestimmten Bereichen des Körpers sollen harmonisiert, die Selbstheilungskräfte aktiviert werden.
Doch hilft Akupunktur wirklich bei akutem oder chronischem Tinnitus? Wir geben Ihnen Antworten auf diese Fragen:
- Wie wirkt Akupunktur gegen Tinnitus? Wie stehen die Heilungschancen?
- Was kostet die Akupunktur bei Tinnitus? Zahlt die Krankenkasse?
- Was sagt die Wissenschaft? Belegen Studien einen Nutzen?
- Wie sind die praktischen Erfahrungen mit Akupunktur bei Tinnitus?
Am Ende erwartet Sie unser Fazit – und ein guter Rat.
Tinnitus in der TCM
In China und anderen fernöstlichen Ländern wie Korea wird Akupunktur schon seit langem zur Behandlung von Tinnitus eingesetzt.
Die Anfänge der Akupunktur als Heilmethode reichen rund 2500 Jahre zurück. Vorläufer war die (auch heute noch gebräuchliche) Akupressur, bei der die entsprechenden Punkte mit den Fingerkuppen gedrückt und massiert werden.
Gestörter Energiefluss
Grundlage ist die Annahme, dass die Lebensenergie in Form der gegensätzlichen Polaritäten „Yin“ und „Yang“ auf bestimmten Bahnen („Meridianen“) durch den Körper fließt.
So gibt es – symmetrisch auf beiden Körperhälften – 12 „Hauptmeridiane“, außerdem 8 „Extrameridiane“, wobei jeder Meridian mit einem bestimmten Organ- oder Funktionssystem des Körpers verknüpft ist.
Auf diesen Energiebahnen liegen die Akupunkturpunkte, in der traditionellen Körperakupunktur 361 an der Zahl.
Wenn die Energien ungestört fließen und die zwei Pole im Gleichgewicht sind, ist der Mensch – in dieser Perspektive – gesund. Wenn nicht, so die Annahme, kann das Reizen der Akupunkturpunkte den stockenden Energiefluss ausbalancieren, was dann Beschwerden oder Erkrankungen lindert oder gar beseitigt.
Geschwächte Organe
Die Ursache von Störungen des Sinnesorgans Ohr – einschließlich Tinnitus – liegt aus Sicht der TCM regelmäßig in einem gestörten Energiefluss der Niere. Denn dieses Organ reguliert aus TCM-Sicht unter anderem die Funktion von Ohr und Gehirn – und speist maßgeblich die Lebenskraft des Menschen.
Daher ist ein wichtiges Ziel der Akupunktur bei Ohrgeräuschen meist, ein geschwächtes Nieren-Qi zu stärken.
Auch andere Organsysteme können aus TCM-Perspektive an der Entstehung oder Aufrechterhaltung von Tinnitus beteiligt sein – etwa die Gallenblase, deren Meridian im Ohrbereich verläuft, oder die Leber.
Teils wird auch aus der Art des Ohrgeräusches bzw. der Tinnitus-Entstehung auf das „energetische Problem“ geschlossen. Ein sich allmählich einschleichender, leise als Rauschen beginnender Tinnitus deutet dann z.B. auf einen Qi-Mangel der Niere hin, ein plötzlich beginnendes lautes Pfeifen auf ein „Fülle-Syndrom“ der Leber.
Doch warum sind diese wichtigen Organe überhaupt aus dem Gleichgewicht geraten?
Tinnitus durch Stress
Der wahre, tieferliegende Grund für Tinnitus wird in der traditionellen chinesischen Medizin interessanterweise insbesondere in Stress, Überlastung, negativen Gefühle und schädlichen Lebensgewohnheiten gesehen.
Denn eine Nierenschwäche entsteht aus TCM-Sicht durch Stress und Überarbeitung, aber auch durch falsche Ernährung, Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch sowie Krankheiten.
Zudem schwächen belastende Gefühle wie Ärger, Wut, Frustration, Niedergeschlagenheit und Angst – die ja für unser Nervensystem immer viel Stress bedeuten – den Qi-Fluss von Leber, Herz und Lungen. Das trübt aus TCM-Sicht nicht zuletzt den Kopf und das Hören.
Hier ergibt sich eine spannende Schnittmenge zwischen der TCM-Perspektive und der modernen Tinnitus-Forschung. Denn Stress ist – neben Hörstörungen – tatsächlich längst als wesentliche Ursache für Tinnitus bekannt.
Die neurophysiologische Forschung hat ergeben, dass Stress die Empfindlichkeit bzw. Verstärkung im Hörsystem heraufschraubt – was das Tinnitus-Risiko erheblich erhöht. Wie Neurowissenschaftler nachgewiesen haben, kann sogar Stress allein einen Tinnitus auslösen, ohne dass es einer Hörstörung (z.B. infolge von Schwerhörigkeit, Lärm, Infektionen oder Medikamenten) bedarf.
Und: Das Tinnitus-Leiden, das ja bei genauer Betrachtung das eigentliche Problem darstellt, speist sich immer praktisch ausschließlich aus der körperlichen und psychischen Stressreaktion auf den Tinnitus.
Daher setzt jede wirklich hilfreiche moderne Tinnitus-Therapie ganz wesentlich auf einen systematischen Stressabbau und eine gezielte Entspannung, z.B. mit Entspannungsübungen oder psychologischen Techniken.
Ohrakupunktur & Co
Die spezielle Technik der Ohrakupunktur („Aurikulotherapie“) ist nicht aus dem alten China überliefert, sondern wurde erst in den 1950er Jahren in Europa begründet, von dem französischen Arzt Paul Nogier.
In der traditionellen chinesischen Akupunktur wird das Ohr hingegen nur selten mitbehandelt – und wenn, dann nur an ganz wenigen Punkten.
Die Ohrakupunktur dient jedoch keineswegs speziell der Behandlung von Tinnitus bzw. von Erkrankungen des Ohres oder Hörsystems.
Dahinter steht vielmehr die Annahme, dass sich die Organe und Körperteile annähernd vollständig auf der Ohrmuschel wiederspiegeln – weshalb sich der Energiefluss des ganzen Körpers allein über das Ohr beeinflussen lässt.
Das gleiche Prinzip ist auch von der Handakupunktur oder Fußakupunktur bekannt, wo Beschwerden in praktisch jedem Körperteil allein über die Handfläche oder Fußsohle behandelt werden.
Akupunktur in Deutschland
In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist die Akupunktur längst zu einer der bekanntesten und anerkanntesten Methoden der sogenannten Alternativ- oder Komplementärmedizin geworden. Sie wird bei einer Vielzahl von Erkrankungen und Symptomen angewandt, von chronischen Schmerzen bis hin zur Geburtsvorbereitung.
Und das nicht nur von Heilpraktikern, sondern gerade auch von sehr vielen Schulmedizinern. Tausende Allgemeinmediziner und Fachärzte haben Weiterbildungen auf dem Gebiet der Akupunktur gemacht, einige sich sogar als TCM-Ärzte spezialisiert. Teils übernehmen Krankenkassen sogar die Kosten (s.u.).
Auch zur Behandlung von akuten und chronischen Ohrgeräuschen wird Akupunktur hierzulande zunehmend eingesetzt. Da die Schulmedizin in den meisten Tinnitus-Fällen leider noch immer keine zielgerichtete, wirksame Behandlung anzubieten hat, ruhen auf der Akupunktur oft große Hoffnungen.
Selbst Tinnitus-Betroffene, die gegenüber anderen alternativen Heilmethoden wie der Homöopathie gegenüber skeptisch sind, setzen häufig ein gewisses Vertrauen in die Jahrtausende alte traditionelle chinesische Medizin.
Akupunktur bei akutem Tinnitus
Eine Akupunktur-Behandlung kommt sowohl in der „akuten“ Phase der ersten drei Monate als auch beim sogenannten „chronischen“, also mehr als drei Monate anhaltenden Tinnitus in Betracht.
Bei einem akuten Tinnitus werden in der Regel weniger Sitzungen veranschlagt als bei einem längeren Tinnitus-Leiden, meist zwischen zwei und sechs.
Wichtig ist, dass die Akupunktur beim akuten Ohrgeräusch nur ergänzend eingesetzt werden sollte. Vorausgehen sollte immer eine gründliche Untersuchung mindestens bei einem guten HNO-Arzt, ggf. auch bei weiteren Ärzten oder Therapeuten zur Abklärung möglicher körperlicher Ursachen.
Die Akupunktur kann dann zum Einsatz kommen, wenn sich – wie in den meisten Fällen – keine Anhaltspunkte für behandelbare organische Ursachen finden. Oder aber begleitend zu etwaigen schulmedizinischen Therapien, z.B. zur Unterstützung einer physiotherapeutischen oder osteopathischen Behandlung.
Akupunktur bei chronischem Tinnitus
Bei seit längerem bestehenden Ohrgeräuschen empfiehlt ein Akupunkteur in der Regel 8 bis 15 Sitzungen.
Sie haben aber jederzeit das Recht, die Therapie abzubrechen – zum Beispiel, wenn Sie nach einigen Sitzungen merken, dass Sie überhaupt nicht auf die Akupunktur ansprechen und keinerlei positiven Effekt verspüren.
Auch beim chronischen Tinnitus sollte die Akupunktur nur ergänzend genutzt werden. Ergänzend etwa zu erwiesenermaßen erfolgreichen Therapien wie der Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT) bzw. Tinnitus-Bewältigungs-Therapie (TBT), die ganz systematisch ein Unwichtigwerden und Ausblenden des Ohrgeräusches bewirken.
Gerade bei einem länger anhaltenden mittelgradigen oder schweren Tinnitus-Leiden ist die Erwartung nicht realistisch, dass allein eine Akupunktur-Behandlung eine weitreichende und nachhaltige Besserung bewirken könnte.
Zwar kommt es durchaus häufig vor, dass ein Tinnitus nach drei, sechs oder zwölf Monaten noch ganz verschwindet. Es gibt aber keinerlei Hinweise darauf, dass Akupunktur dies befördern könnte.
An den Mechanismen des Tinnitus-Leidens allerdings ändert eine Akupunktur-Behandlung für gewöhnlich wenig bis gar nichts.
Denn das Leiden beruht nach neurophysiologischen Erkenntnissen vor allem auf einem Teufelskreis, in dem sich eine anhaltende (körperliche und psychische) „Alarmreaktion“ auf den Tinnitus und eine hohe Aufmerksamkeit für das Geräusch laufend gegenseitig aufrechterhalten oder gar verstärken.
Wer diese Negativspirale gezielt und dauerhaft überwinden möchte, sollte zu den genannten eigens darauf ausgerichteten Therapien greifen, die das Tinnitus-Leiden „multimodal“ (d.h. auf verschiedenen Ebenen zugleich) abbauen.
Ablauf der Akupunktur-Behandlung
Typisch für die TCM ist, dass der Behandler nicht mit Tunnelblick auf die einzelne Erkrankung fokussiert und dann nach „Schema F“ vorgeht. Vielmehr wird die Therapie individuell auf den Patienten ausgerichtet.
So kann es sein, dass ein TCM-Arzt einen Tinnitus bei jedem Menschen anders therapiert, je nach Art der Disharmonie z.B. mit anderen Akupunkturpunkten oder anderen Techniken des Nadelsetzens.
Befunderhebung (Anamnese)
Eine Akupunktur-Behandlung bei Ohrgeräuschen beginnt mit einem ausführlichen Gespräch, bei dem die persönliche Krankheitsgeschichte – auch jenseits des Tinnitus – erhoben und der Körper – insbesondere die Zunge und der Puls – untersucht wird.
Aus dem Gesamtbild von Beschwerden, Vorerkrankungen, Lebensumständen sowie der Persönlichkeit des Patienten ergibt sich für den Behandler ein „Muster der Disharmonie“, das sich auf viele Organe auswirken und in vielfältigen Erkrankungen ausdrücken kann.
Ein umfassend ausgebildeter TCM-Behandler gibt Ihnen anhand des Befundes möglicherweise auch eine Ernährungsberatung – oder die Empfehlung für eine entspannende Bewegungstherapie mit Tai Chi bzw. Qi Gong. (Gerade letzteres könnte sehr hilfreich sein, denn eine gezielte, selbst praktizierte Entspannung zählt erwiesenermaßen zu den wirksamsten Maßnahmen beim akuten und chronischen Tinnitus.)
Akupunktur-Sitzungen
Für die eigentliche Sitzung nimmt der Patient auf einer Liege eine bequeme Haltung ein. Der Akupunktur sticht diverse Nadeln an Akupunkturpunkten am Ohr und am ganzen Körper, mindestens drei Millimeter unter die Haut.
Die Einmalnadeln aus Edelstahl sind sehr dünn, sodass die meisten Menschen beim Setzen wenig spüren und keinen Schmerz empfinden. Falls doch, schwindet der kurzzeitige kleine Schmerz in der Regel schnell. Bei sehr empfindlichen Patienten können die Punkte auch mit einem Akupunktur-Laser stimuliert werden.
Für das Aufsuchen der genauen Einstichpunkte bedient sich der Behandler der traditionellen Maßeinheit Cun. Dieses entspricht der Daumenbreite der behandelten Person (nicht des Behandlers), auf Höhe des ersten Gelenks.
Die einzelne Sitzung dauert in der Regel rund 30 bis 60 Minuten, wobei das Setzen der Nadeln meist nur wenige Minuten in Anspruch nimmt.
Die meiste Zeit verbringt der Patient damit, auf seiner Liege zu ruhen, während die Prozedur – hoffentlich – ihre Wirkung entfaltet. Schließlich kommt der Akupunkteur zurück und entfernt die Nadeln.
Folgesitzungen beginnen meist mit einem kurzen Gespräch über die Veränderung der Symptome sowie mit einer Zungen- und Pulsdiagnose.
Bei Bedarf kann der Therapeut die Nadeln vorher erwärmen oder während der Sitzung leicht auf und ab bewegen. Auch kann er die Akupunkturpunkte unterstützend mit den Fingern massieren oder die Wirkung der Nadeln verstärken, indem er leichten Reizstrom durch sie fließen lässt (Elektroakupunktur).
Erstverschlimmerung und Nebenwirkungen
Nach einer Akupunktur-Sitzung kann es vorkommen, dass sich die behandelten Symptome vorübergehend verschlechtern. Der Tinnitus könnte dann als lauter oder aggressiver empfunden werden.
Eine solche sogenannte „Erstverschlimmerung“, die auch von anderen alternativen Heilmethoden wie Homöopathie oder Reiki bekannt ist, gilt aber keineswegs als Fehlschlag. Vielmehr wird eine Erstverschlimmerung bei der Tinnitus-Akupunktur als Zeichen dafür gedeutet, dass ein Heilungsprozess in Gang kommt, bei dem sich das Symptom gewissermaßen vor der Besserung noch einmal „aufbäumt“.
In der Regel hält eine Erstverschlimmerung nur einige Stunden, manchmal auch einen Tag oder länger an.
Gelegentlich gibt es aber auch Erfahrungsberichte, nach denen Patienten nach einer Akupunktur-Behandlung eine anhaltende Verschlechterung Ihres Tinnitus erleben. Grundsätzlich gilt, dass unerwünschte Nebenwirkungen dieser Art bei der Akupunktur sehr selten, aber auch nicht ausgeschlossen sind.
Kosten von Akupunktur bei Tinnitus
Die einzelnen Sitzungen kosten heute je nach Aufwand und „Liegezeit“ zwischen 40 und 80 Euro. Hinzu kommt zu Beginn die Gebühr für die Befunderhebung („Anamnese“) samt körperlicher Diagnostik, die je nach Zeitaufwand zwischen 40 und 200 Euro beträgt.
Eine typische Akupunktur-Therapie bei Tinnitus von zehn Sitzungen, die einigermaßen sinnvoll und gründlich erfolgt, schlägt also in der Regel mit rund 500 bis 800 Euro zu Buche.
In der Praxis ergeben sich häufig noch weitere Kosten für unterstützende Maßnahmen, die TCM-Behandler Ihren Patienten gern empfehlen. Dazu zählen insbesondere die „Moxibustion“ (das Erwärmen der Akupunkturpunkte mit glimmendem Moxakraut) oder spezielle Kräutermischungen.
Die „Phytotherapie“ mit chinesischen Heilkräutern und Heilpflanzen soll Krankmachendes ausleiten, Mangelzustände ausgleichen und die Selbstheilungskräfte stärken. Meist werden individuell abgestimmte Mischungen verabreicht, als Pulver, Abkochung („Dekokt“) oder in Tropfenform.
Zahlt die Krankenkasse für Tinnitus-Akupunktur?
Die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland zahlen für (ärztliche) Akupunktur-Behandlungen seit 2007 bei chronischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule und der Kniegelenke. Weitere Anwendungen der Akupunktur wurden seither nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgenommen.
Einige Kassen tragen die Kosten aber freiwillig auch bei anderen Beschwerden, teils als sogenannte freiwillige Satzungsleistung, teils im Rahmen von Bonusprogrammen.
Die Akupunktur bei Tinnitus und anderen Beschwerden des Hör- und Gleichgewichtssystems wie Hörsturz oder Schwindel ist keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Es handelt sich in der Regel um eine „individuelle Gesundheitsleistung“ (IGeL), bei der Sie die Kosten als Selbstzahler übernehmen müssen.
Da sich aber die freiwilligen Leistungen der Kassen stark unterscheiden und zudem laufend ändern, erkundigen Sie sich bitte vor Behandlungsbeginn, ob Ihre Versicherung die Kosten nicht doch übernimmt oder wenigstens bezuschusst.
Teils wird die Akupunktur bei Ohrgeräuschen auch von Krankenzusatzversicherungen abgedeckt. Vergewissern Sie sich in diesem Fall vorab, ob der Arzt auch über die geforderte Qualifikation verfügt. Für Akupunktur-Sitzungen bei einem Heilpraktiker müssen Patienten meist selbst aufkommen.
Private Krankenkassen übernehmen in der Regel die Kosten für eine (ärztliche) Schmerz-Akupunktur in viel mehr Anwendungsfällen als die GKV. Sie sind aber nicht verpflichtet, die Kosten für eine Tinnitus-Akupunktur zu übernehmen. Auch privat Versicherte sollten daher vorab klären, ob ihre jeweilige Kasse zahlt.
Da Störungen von Kiefer oder Halswirbelsäule sowie Nackenverspannungen einen Tinnitus häufig verursachen oder beeinflussen, lässt sich die Akupunktur gegenüber der privaten Krankenkasse mitunter als Behandlung von Kiefer- oder Nackenschmerzen begründen – wobei der Tinnitus dann einfach mitbehandelt wird.
Wenn Sie für die Akupunktur selbst aufkommen müssen, lassen Sie sich vorab schriftlich über die genauen Kosten pro Sitzung informieren. Ein seriöser Behandler tut dies selbstverständlich von sich aus.
Das Urteil der Wissenschaft
Für einige Beschwerden ist der positive Effekt von Akupunktur mittlerweile wissenschaftlich gut belegt.
So ergaben jahrelange Studien im Auftrag der deutschen Krankenkassen, dass Akupunktur bei Rückenschmerz und Knieschmerz tatsächlich deutlich besser als die bisherigen Standardtherapien wirkt!
Und das mit deutlich weniger Nebenwirkungen.
Auch ergaben etliche Studien, dass Akupunktur Migräneschmerzen ebenso gut lindert wie gebräuchliche Medikamente. Selbst die Fachleute des ansonsten äußerst kritischen IGeL-Monitors sehen den Nachweis in diesem Fall erbracht:
„Das Verfahren liefert gleich gute Ergebnisse wie eine medikamentöse Behandlung, deren Nutzen belegt ist. Die Nebenwirkungen fallen geringer aus als die von Medikamenten […].“
Folgerichtig beurteilt der IGeL-Monitor den Einsatz von Akupunktur bei Migräne als „tendenziell positiv“.
Große Studien zweifeln an Wirksamkeit
Bei Tinnitus allerdings konnte eine Wirksamkeit von Akupunktur bislang nicht nachgewiesen werden.
Zwar liegen diverse – meist recht kleine – Studien aus Asien, Amerika und Europa vor, die teils eine Minderung der wahrgenommenen Tinnitus-Lautheit oder -Beeinträchtigung erbrachten.
Drei aufwändige Überprüfungen („Meta-Analysen“) aller vorliegenden Studien zu Akupunktur bei Ohrgeräuschen kamen jedoch zu dem Ergebnis, dass bislang kein überzeugender Nachweis für eine Wirkung vorliegt.
Da es hier für Sie um viel Geld, Zeit und Nerven geht, werden Sie die Ergebnisse sicher interessieren.
Eines vorweg: Auch wenn die meisten Studien – scheinbar – eher den Skeptikern der Akupunktur in die Hände spielen, haben sie doch einen ganz fundamentalen Schwachpunkt – auf den wir noch eingehen.
Positive Studien aus China
Eine umfangreiche Meta-Analyse der chinesischen Shandong-Universität aus dem Jahr 2016 wertete 18 Akupunktur-Studien mit insgesamt 580 Tinnitus-Patienten aus. Dabei stellten die Forscher interessanterweise fest, dass „fast alle chinesischen Studien“ positive Ergebnisse für die Akupunktur bei Tinnitus meldeten, während die meisten angloamerikanischen Studien keinen Wirkungsnachweis erbrachten.
Eine Erklärung aus Sicht der Forscher:
Die in den chinesischen Studien verwendeten Akupunkturpunkte und Behandlungsweisen, die sich von denen in Europa und Amerika unterschieden, seien möglicherweise „besser geeignet“ gewesen.
Jedenfalls würden diese Studien nahelegen, „dass die Akupunktur-Therapie einigen Tinnitus-Patienten einen subjektiven Nutzen bieten kann“.
Allerdings bescheinigten die Wissenschaftler den betreffenden chinesischen Studien zugleich eine besonders schlechte Qualität. Sie wiesen „viele methodische Mängel und Verzerrungen“ auf und hätten daher kaum Aussagekraft.
Akupunktur vs. Scheinakupunktur
Eine große Übersichtsarbeit koreanischer Wissenschaftler aus 2012 wertete neun Studien mit insgesamt 431 Tinnitus-Betroffenen aus.
Sechs der neun Einzelstudien sahen keine Wirksamkeit der Akupunktur bei Tinnitus – darunter auch sämtliche fünf Studien, die eine „echte Akupunktur“ mit einer „Scheinakupunktur“ verglichen.
Bei diesen Studien war also ein Teil der Patienten nach den Regeln der chinesischen Medizin behandelt worden („echte Akupunktur“). Beim anderen Teil der Patienten dagegen wurden Nadeln an Stellen eingestochen, die nach den Lehren der TCM gar nicht vorgesehen sind („falsche Akupunktur“ oder „Scheinakupunktur“).
Wegen der mangelnden Größe und überwiegend schlechten methodischen Qualität der Studien war es aber nach Einschätzung der koreanischen Forscher nicht möglich, „endgültige Schlussfolgerungen“ für eine Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Akupunktur bei Ohrgeräuschen zu ziehen.
Wirkung oder Placebo-Effekt?
Britische HNO-Wissenschaftler hatten bereits im Jahr 2000 eine große Auswertung vorliegender Studien veröffentlicht.
Dabei zeigte sich – ganz ähnlich wie bei den späteren Analysen – dass lediglich zwei Studien von ausgesprochen schlechter methodischer Qualität der Akupunktur einen positiven Effekt bei Tinnitus bescheinigten.
Dagegen ergaben die vier höherwertigen und aussagekräftigeren Studien keine Wirksamkeit der Akupunktur. In keiner dieser Studien „wirkte“ die Akupunkturbehandlung besser als die Placebo-Behandlung der Kontrollgruppe.
Die Forscher schlussfolgerten:
„Dies deutet darauf hin, dass jeglicher Nutzen, den die Akupunktur bei einem einzelnen Tinnitus-Patienten haben mag, eher auf unspezifische Effekte wie Erwartungshaltung, Suggestionen, therapeutische Beziehung usw. zurückzuführen ist als auf eine spezifische Wirkung des Nadelsetzens.“
Doch selbst wenn dem so wäre: Könnte Akupunktur bei Tinnitus nicht gerade deshalb trotzdem Sinn machen?
Schwächen der Beurteilung
Abgesehen davon, dass die meisten Untersuchungen nur wenige Dutzend Teilnehmer umfassten, haben die Studien jedenfalls ein gewaltiges Manko:
Zwar ergibt sich immer wieder, dass eine „echte Akupunktur“ bei Tinnitus kaum besser wirkt als eine „falsche Akupunktur“. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass Akupunktur nicht hilft.
Denn auch bei den besagten Studien der deutschen Krankenkassen zu Rücken- und Knieschmerzen gab es im Ergebnis praktisch keinen Unterschied zwischen den Patientengruppen mit „echter Akupunktur“ und „Scheinakupunktur“. Die „echte Akupunktur“ hatte nur ganz leicht die Nase vorn.
Aber: Im Vergleich mit einer dritten Kontrollgruppe, die lediglich die übliche Behandlung mit Medikamenten, Krankengymnastik usw.. erhielt, schnitten beide Varianten der Akupunktur deutlich besser ab!
„Die genaue Einhaltung der Vorschriften der chinesischen Medizin bei der Auswahl der richtigen Akupunkturpunkte scheint für die Wirksamkeit der Akupunktur keine maßgebliche Rolle zu spielen“, konstatiert der IGeL-Monitor.
Die Interpretation, dass die Akupunktur deshalb insgesamt nur auf einem Placeboeffekt beruhe, greift aber zu kurz.
Denn wenn dieser „Placeboeffekt“ Tinnitus-Patienten besser helfen würde als die typische schulmedizinische Behandlung oder eine Nichtbehandlung, dann könnte die Akupunktur ja durchaus Ihre Berechtigung haben.
Zur Bewertung des Nutzens von Akupunktur bei Ohrgeräuschen bräuchte es also unbedingt große kontrollierte Studien, die ebenfalls eine (echte und falsche) Akupunktur mit einer weiteren Gruppe vergleichen, die lediglich die übliche schulmedizinische Behandlung (z.B. Kortison) oder gar keine Behandlung erhält.
Bisher existiert aber nicht eine einzige hochwertige Studie dieser Art, weder beim akutem noch beim chronischem Tinnitus.
Hinzu kommt, dass es nicht „die“ Akupunktur oder „die“ Vorschriften der TCM gibt, sondern eine Reihe verschiedener Schulen. In China etwa wird Akupunktur teils deutlich anders praktiziert als in Japan, Korea oder Europa. Auch innerhalb Deutschlands werden viele unterschiedliche Arten von Akupunktur angewandt.
Entsprechend wurden bei den vielen Studien mit Tinnitus-Betroffenen nicht einheitliche, sondern zum Teil ganz unterschiedliche Akupunkturpunkte und Behandlungsweisen genutzt. Begründet und gerechtfertigt wurde dies kaum bis gar nicht.
Akupunktur-Ärzte haben daher immer wieder eine – aus ihrer Sicht – ungünstige therapeutische Vorgehensweise in bestimmten Studien kritisiert und die Gültigkeit der Ergebnisse insgesamt infrage gestellt.
Empfehlung zur Tinnitus-Akupunktur in Deutschland
Die aktuelle, in 2021 neu gefasste „Leitlinie Chronischer Tinnitus“ der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (DGHNO) empfiehlt allerdings angesichts der bisherigen Studienlage:
„Auf (Elektro-) Akupunktur sollte beim chronischen Tinnitus verzichtet werden. […] Ein Nutzen ist nicht nachweisbar, minimaler Schaden wird angenommen.“
Auf der Grundlage höherwertiger Studien gebe es „keine Hinweise darauf, dass Akupunktur (oder Elektroakupunktur) eine nachgewiesene Wirksamkeit auf den Tinnitus haben“, urteilt die Leitlinie, die eine (unverbindliche) Handlungsempfehlung für behandelnde Ärzte darstellt.
Der deutsche Tinnitus-Arzt Gerhard Hesse (Bad Arolsen) – maßgeblicher Autor besagter Leitlinie – weist zudem darauf hin, dass die Akupunktur-Behandlung selbst nach den positiven Ergebnissen chinesischer Studien nicht unbedingt den Tinnitus an sich veränderte. „Gebessert werden eher Verspannungen oder Schmerzen in der Ohrregion.“
Hesse resümiert daher:
„Es gibt keine Belege dafür, dass Akupunktur organisch den Tinnitus beeinflussen kann. Akupunktur kann aber durchaus die Wahrnehmung verändern und vegetative Begleiterscheinungen positiv beeinflussen.“
Auch die Tinnitus-Leitlinie sieht „moderate“ Hinweise darauf, dass Akupunktur Begleiterscheinungen wie Verspannungen oder Schmerzen bessern könne, „mit eventuell positivem Effekt auf den Tinnitus“.
Nutzen nicht ausgeschlossen
Insgesamt gilt: Es gibt keinen klaren Nachweis dafür, dass Akupunktur bei Tinnitus nicht wirkt. Es ist durchaus möglich, dass eine Akupunktur-Behandlung zumindest bei manchen Tinnitus-Betroffenen einen positiven Effekt hat. Zumal auch ein Placebo-Effekt ein realer, spürbarer Effekt wäre.
Mit absoluter Sicherheit ist eine Akupunktur-Therapie nicht weniger sinnlos als vermeintlich schulmedizinische Behandlungen wie durchblutungsfördernde Infusionen oder die weit verbreiteten Ginkgo-Arzneien.
Denn deren völlige Unwirksamkeit bei Tinnitus ist ja in diversen großen Studien tatsächlich seit Langem eindeutig erwiesen.
Erfahrungen mit Akupunktur bei Tinnitus
Trotzdem muss leider auch klar gesagt werden: Bei den meisten Tinnitus-Betroffenen zeigt eine Akupunktur-Behandlung keine Wirkung.
In scheinbarem Gegensatz zur Studienlage stehen immer wieder glaubwürdige Erfahrungsberichte, nach denen sich ein Ohrgeräusch im Zuge einer Akupunktur-Behandlung gebessert hat oder sogar abgeklungen ist.
Auch TCM-Ärzte, Heilpraktiker und andere Akupunktur-Therapeuten sprechen gern – und meist recht nebulös – von „guten Erfahrungen“ mit der Akupunktur bei Ohrgeräuschen.
Exemplarisch sind diese – echten – Erfahrungsberichte aus einer Tinnitus-Selbsthilfegruppe im Internet:
- „Akupunktur hat meinen ersten Tinnitus zumindest beruhigt. Der zweite hat gar nicht drauf reagiert.“
- „Ich hatte kurzzeitige Linderungen nach den Sitzungen. Insgesamt hatte ich fünf Behandlungen.“
- „Akupunktur habe ich ziemlich zu Beginn gemacht. War zwar recht entspannend, hat aber meine Wahrnehmung des Tinnitus nicht beeinflusst, weshalb ich es dann nach ca. zehn Sitzungen gelassen habe.“
- „Also ich gehe regelmäßig einmal wöchentlich zur Akupunktur. Dadurch hat sich mein kompletter Allgemeinzustand gebessert.“
- „Akupunktur ist immer gut, aber langfristig hat es mir auch nicht geholfen.“
- „Mein Tinnitus ist weg! Mir hat eine TCM-Ärztin geholfen mit Akupunktur, Tee und Massagen gegen die ärgsten Verspannungen.“
Was folgt daraus?
Vorübergehende Besserung
Was auffällt: Ganz generell berichtet stets ein Teil der Akupunktur-Behandelten von kurzzeitig positiven Effekten (wie etwa Entspannung, etwas leiserer Tinnitus), die aber nicht sehr lange anhielten.
Dies deckt sich auch mit den Ergebnissen einiger „positiver“ Studien. Teils waren die Verbesserungen nach der Behandlung nämlich nur von kurzer Dauer – und bei Folgeuntersuchungen wieder verschwunden.
Ob dies nun an den Nadeln, der schönen Atmosphäre oder dem angenehmen Kontakt mit dem vertrauenserweckenden Behandler liegt: Wer in einen „harmonischeren“ oder schlicht entspannteren, zuversichtlicheren Zustand gelangt, fühlt sich natürlich kurzfristig besser – und tendenziell weniger durch den Tinnitus beeinträchtigt.
Nach neurophysiologischen Erkenntnissen senkt nämlich jede Art tieferer Entspannung die Empfindlichkeit im Hörsystem. Und dadurch erscheint ein Tinnitus zwangsläufig leiser und weniger störend.
Für eine nachhaltige und weitreichende Besserung ist es allerdings entscheidend, dass der Stressabbau bzw. die Entspannung einigermaßen systematisch über längere Zeit erfolgt und nicht bloß punktuell, z.B. durch eine Massage.
Wirklich hilfreiche Tinnitus-Therapien bewirken daher einen dauerhaften Stressabbau, z.B. durch eine gute „Aufklärung“ (die den Tinnitus handhabbar macht und Sorgen nimmt) sowie allerhand psychologische „Tricks“. Auch versetzen sie Betroffene in die Lage, sich selbst zu entspannen und Entspannung in den Alltag zu integrieren.
Nutzen oder Zufall?
Unbestritten ist, dass es bei einem (kleinen) Teil von Tinnitus-Betroffenen im Zuge einer Akupunktur-Behandlung auch zu einer länger anhaltenden Besserung oder – gerade innerhalb der Akutphase – sogar zu einem Abklingen des Tinnitus kommt.
Aus wissenschaftlicher Sicht heißt das allerdings noch lange nicht, dass die Methode an sich in diesen Fällen gewirkt hat.
Denn wenn es im Zuge einer Akupunktur-Behandlung zu einer Besserung kommt, gibt es dafür drei mögliche Gründe:
- Die Akupunktur als solche hat tatsächlich gewirkt.
- Es handelt sich um einen Placebo-Effekt. Das heißt, die Besserung geht von der positiven Erwartungshaltung aus (siehe oben).
- Die Besserung hat sich von allein eingestellt, völlig unabhängig von der Akupunktur-Behandlung.
Gerade letztere Möglichkeit ist vielen Tinnitus-Betroffenen nicht bewusst.
Fakt ist schließlich:
- Ein neu aufgekommener Tinnitus klingt in den meisten Fällen wieder ab, auch ohne eine bestimmte Behandlung. (Meist geschieht das innerhalb der ersten Wochen und Monate.)
- Die Beeinträchtigung durch den Tinnitus, mit Begleiterscheinungen von Schlafstörungen und innerer Unruhe bis hin zu Niedergeschlagenheit und Rückzug, lässt in vielen Fällen von allein allmählich nach. (Gerade in den ersten Wochen und Monaten vollzieht sich die Besserung oft recht zügig.)
Wenn nun z.B. 1000 Menschen mit einem akuten Tinnitus zwei, vier oder acht Wochen lang eine Akupunktur-Therapie machen, wird das Ohrgeräusch definitiv bei vielen abklingen oder zumindest weniger stören.
Das würde aber auch passieren, wenn diese 1000 Menschen auf Anraten eines Arztes z.B. täglich drei Kugeln Vanille-Eis essen würden!
Der Arzt und viele Betroffene könnten dann von „sehr guten Erfahrungen“ mit einer „Vanille-Eis-Therapie“ bei Tinnitus sprechen – obwohl das Eis natürlich nicht das Geringste zur Besserung beigetragen hat.
Es besteht hier schlichtweg keine Kausalität, sondern vielmehr eine sogenannte Koinzidenz, also ein zufälliges zeitliches Zusammenfallen.
Unseriöse Akupunktur-Behandler erkennen
Achten Sie bitte in jedem Fall darauf, dass die Akupunktur von einem erfahrenen, gut qualifizierten Arzt oder Heilpraktiker vorgenommen wird. Denn die Qualifikation von Akupunkteuren ist äußerst unterschiedlich.
Fragen Sie den Behandler zudem vorab genau nach dem Nutzen einer Akupunktur bei Tinnitus in Ihrem persönlichen Fall – auch im Vergleich zu anderen Therapieformen – und nach den Erfolgsaussichten.
Nach dem Patientenrechtegesetz ist jeder Arzt und Heilpraktiker in Deutschland verpflichtet, Sie entsprechend aufzuklären.
Überzeugt Sie die Auskunft? Wenn nicht, lassen Sie es bleiben.
Ihre Alarmglocken sollten schrillen, wenn der Arzt oder Heilpraktiker Ihnen zusätzliche, unseriöse Behandlungen wie etwa durchblutungsfördernde Infusionen empfiehlt. Denn die Unwirksamkeit durchblutungsfördernder Arzneien bei Tinnitus ist – wie gesagt – durch viele große Studien seit Langem klar erwiesen.
Ein solcher Arzt oder Heilpraktiker ist also entweder inkompetent und hätte sich nicht anständig fortgebildet oder – noch schlimmer – handelt wider besseres Wissen, allein aus finanziellem Interesse.
Grenzen der Akupunktur bei Tinnitus
Ganz klar: Eine Akupunktur-Behandlung passt gut in das Erwartungs-Schema der meisten Tinnitus-Betroffenen, dass doch irgendeine medizinische Behandlung dem Tinnitus Einhalt gebieten müsse.
Diese Behandlung mag in einigen Fällen durchaus eine gewisse harmonisierende oder entspannende Wirkung entfalten, Schmerzen lindern, Begleiterscheinungen wie innere Unruhe mindern usw.
Gerade wenn Sie von der Methode sehr überzeugt sind und in den Therapeuten vertrauen, können Sie auch auf einen gewissen Placeboeffekt setzen (der schließlich einen realen, spürbaren Unterschied macht).
Wenn sich allerdings in der Akutphase eine Leidensspirale abzeichnet oder sich bereits ein längeres Leiden verfestigt hat, sollten Sie die Akupunktur allenfalls als zusätzliche Maßnahme in Betracht ziehen. Schließlich kann kein Akupunkteur der Welt das Ohrgeräusch gezielt „wegstechen“.
Im Gegensatz zu einer modernen multimodalen Tinnitus-Therapie wie der TRT bzw. TBT verschafft Ihnen die Akupunktur jedenfalls niemals ein „Empowerment“: die Erfahrung erstaunlicher Selbstwirksamkeit, bei der Sie auf unerwartete Weise lernen, dass Sie das Tinnitus-Leiden selbst überwinden können.
Es ist tragisch, dass Tinnitus-Betroffene in Ihrer oft monate- oder jahrelangen Suche nach einer – passiven – „Behandlung“ übersehen, was doch längst erwiesen ist:
Die Genesung von einem Tinnitus bzw. Tinnitus-Leiden ist in den allermeisten Fällen möglich. Sie erfordert lediglich die Bereitschaft, dabei – entsprechend angeleitet – eine aktive Rolle einzunehmen.
Gewusst, wie!
Wenn Sie Ihre Tinnitus-Genesung ganz systematisch angehen wollen, dann sei Ihnen „Das Große Tinnitus-Heilbuch“ ans Herz gelegt.
Auf dem neuesten Stand von Forschung und Therapie bündelt es die erwiesenermaßen hilfreichsten Behandlungsmethoden zu einem äußerst wirksamen und sofort umsetzbaren Selbsthilfe-Programm.
Quellen
- Liu, F., Han, X., Li, Y. et al.: Acupuncture in the treatment of tinnitus: a systematic review and meta-analysis. In: European Archives of Oto-Rhino-Laryngology. 273 (2), 285–294 (2016).
- He, Miao, Li, Xinrong, Liu, Yang et al.: Electroacupuncture for Tinnitus: A Systematic Review. PLoS One, 2016. Band 11(3)
- Kim, Jong-In, Choi, Jun-Yong, Lee, Dong-Hyo et al. Acupuncture for the treatment of tinnitus: a systematic review of randomized clinical trials. In: BMC Complementary and Alternative Medicine. 12 (1), S. 97 (2012)
- Park, Jongbae, White, Adrian R., Ernst Edzard: Efficacy of acupuncture as a treatment for tinnitus: a systematic review. In: Archives of otolaryngology – head & neck surgery 126 (4): 489–492 (2000)
- S3-Leitlinie Chronischer Tinnitus der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. (DGHNO-KHC), Stand September 2021
- Hesse, Gerhard: Tinnitus. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. 2015
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- Verbraucherzentrale Bundesverband: Akupunktur – Wann zahlt die Kasse? Stand 24.2.2021
- Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur e.V. (DÄGfA): Was sind Traditionell Chinesische Medizin und Akupunktur?
- IGeL-Monitor: Akupunktur zur Migräneprophylaxe. 12.1.2012